zum Hauptinhalt
14.06.2021, Berlin: Der Autor Jürgen Kaube ist mit seinem Buch "Hegels Welt" Preisträger des Deutschen Sachbuchpreises 2021, der im Humboldt Forum verliehen wurde.

© Jürgen Carstensen/dpa

Jürgen Kaube gewinnt Deutschen Sachbuchpreis: Mit Hegel die Gegenwart verstehen

Der "FAZ"-Herausgeber Jürgen Kaube gewinnt mit seinem Buch über den Philosophen Hegel und dessen Zeit den ersten Deutschen Sachbuchpreis

Als die Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs den Träger des ersten Deutschen Sachbuchpreises verkündet, ist nicht nur dieser völlig überrascht von seiner Auszeichnung.

Jürgen Kaube, der an diesem heißen Berliner Frühsommerabend im Humboldt-Forum den mit 25.000 Euro dotierten Preis für sein Buch "Hegels Welt" erhält, offenbart zu Beginn seiner Dankresrede, dass er geglaubt habe, nachdem so viel von der "Aktualität des Sachbuchs die Rede" gewesen sei, "die meinen bestimmt die anderen" und Hegel sei doch eine Figur der Geistesgeschichte, "die doch auch fern ist".

Und tatsächlich könnte man aus der Liste der acht Titel auf der Shortlist dieses Preises sofort drei, vier nennen, die dem Vorhaben, nämlich ein Sachbuch zu küren, das gleichermaßen "herausragend" ist wie imstande, "Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung" zu liefern, mehr entsprechen als das von Kaube.

Also Asal Dardans zwar autobiografischer, aber doch die gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft in den Blick nehmender Essay "Betrachtungen einer Barbarin". Oder Christoph Möllers apart aphoristisch anmutendes Buch über die Traditionen und Vorstellungen des Liberalismus, über den Druck, dem er gerade ausgesetzt ist, über Freiheit und Politik und auch die körperliche Seite der Freiheit. Oder auch Andreas Kosserts Buch "Flucht", das die aktuellen Flüchtlingsbwegeungen in einen großen geschichtlichen Zusammenhang stellt.

"Nur quer ist eben nicht Freiheit"

Aber Hegel? Vom dem Kaube gleich sagt, dass er schwierig geschrieben habe, außer in den Werken, die er nicht publiziert habe, in den von seinen Studenten mitgeschriebnen Vorlesungen? Ein Buch über Hegel liegt da also erstmal nicht nahe, um einen Preis mitten in der Gesellschaft zu platzieren und dann noch eine Debatte anzustoßen.

Dazu braucht es einiger Transferleistung, so wie es die Jury in ihrer Begründung anbietet: "Geistegeschichte ist bei Hegel Kulturgeschichte", und Hegel sei immer bereit gewesen, neue Wissensgebiete zu erschließen und die eigenen Erkenntnisse in Frage zu stellen: "Dieses Sicheinlassen auf eine sich ändernde Welt macht Hegel so inspirierend für die Gegenwart, in der sich das unvoreingenommene Denken gegen falsche Gewissheiten, Wissenschaftsfeindlichkeit und Ausgrenzung von Schwächeren behaupten muss."

Ferne Welt

Kaube scheint in seiner spontanen, aber durchaus langen Dankesrede der Jury fast widersprechen zu wollen, als er sagt, dass Hegels Anspruch einer "Theorie von allem", einer Geistesgeschichte genauso wie einer Naturwissenschaftsgeschichte und der Mathematik und des Staatsrechts und noch mehr gegenwartsfremder nicht sein könnte, "das würde sich heutzutage keiner mehr zumuten, wenn er bei Verstand ist." Ein Buch "über eine ferne Welt" sei das also, so Kaube.

Doch so wie der "FAZ"-Mitherausgeber über seinen Buchhelden quasi aus dem Stegreif spricht, wie er ihn kurz porträtiert, wie er sagt, dass er beeindruckt gewesen sei von Hegels "Setzen auf eine Karte: Freiheit", von seinen für sein Werk bestimmenden Begriffen Freiheit und Geist, so sehr ist man sofort eingenommen und mag Kaube folgen, wenn er schlussfolgert: "Freiheit ist nicht Frechheit". Oder er in Richtung der Querdenker sagt, dass dort das Wort "denken" zwar drinstecke, "aber nur quer ist eben nicht Freiheit".

Kaubes Buch mag schon ein paar Monate auf dem Markt sein, und der 250. Geburtstag des Philosophen war schon am 27. August des vergangenen Jahres. Doch vielleicht kommt der eine oder die andere wirklich und auch weiterhin zu der Erkenntnis, dem polarisierenden Debattenwahnsinn unserer Gegenwart mit Hegel zu begegnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false