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Blick in die Bet-El Synagoge in Casblanca, aufgenommen am 25.07.2007.

© David Lisbona/dpa / picture alliance / dpa

Juden in Marokko: Marokko erinnert sich seiner Juden

Marokko hatte einst die größte jüdische Gemeinde in der islamischen Welt. Heute gibt es noch eine kleine, aber aktive Gemeinde in Casablanca

„Die Juden sind alle meine Kinder“, hatte Marokkos König Mohammed V. im Jahr 1956 nach Erringung der Unabhängigkeit von Frankreich gesagt – und ausreisewilligen Juden den Pass verweigert; eine radikale Abwehr des zionistischen Werbens um die Juden Marokkos. Doch nach Mohammeds Tod ging der Exodus weiter. Von der einst größten jüdischen Gemeinde der arabischen Welt sind heute gerade einmal 2500 Juden übrig geblieben, die mittlerweile wieder eine lebendige Gemeinde in Casablanca unterhalten. Unter dem Freiheitskämpfer und Sozialisten Simon Lévy haben sie 1997 das Museum für die Kultur der marokkanischen Juden in Casablanca gegründet – einmalig in der islamischen Welt.

Marokkos lange Tradition in puncto jüdischer Bevölkerung reicht bis zu den frühen Römern zurück. Bei der muslimischen Eroberung Spaniens fanden die Juden Schutz und leisteten ihren Beitrag zur andalusischen Kultur. „Bis zum Verlust der arabischen Unabhängigkeit hatten die Juden Bewegungsfreiheit im Islam“, erzählt Jean Lévy, praktizierender Arzt in Berlin und Sohn des Museumsgründers. „Zur jüdischen Tradition gehörte eine Pilgerreise nach Jerusalem; die Juden haben dort eine Weile gelebt und kehrten wieder zurück. Es gab in Jerusalem eine große marokkanische Gemeinde.“

Marokko habe zwei Gemeinden gekannt, die Toshabim – damit sind die lokalen Juden gemeint – und die Megorashim – die Zugewanderten. In Fès sprachen die Megorashim Andalusisch, dort habe es auch die erste Druckerei Marokkos gegeben. „Irgendwann haben beide Gemeinden fusioniert, aber der Kult ist sephardisch und die Sprache Arabisch.“

Bis zur Ankunft der Franzosen waren die Juden Händler, die bis Timbuktu reisten und so die Kommunikation mit verschiedenen Stämmen und Gebieten aufrechterhielten. Doch den Kolonialismus und die Öffnung für den Weltmarkt überlebte dieses System nicht. Die Industrialisierung nahm den Juden ihren Raum und ließ sie Anfang des 20. Jahrhunderts nach Palästina auswandern. „Aber viele kamen enttäuscht zurück“, sagt Lévy. Unter den Franzosen wurden jüdische Namen europäisiert und das Arabische verboten. Das führte zu einer kulturellen Entfremdung. Nach der Staatsgründung Israels wanderten ab 1951 jährlich 25 000 Juden aus. In der „Operation Yakhin“ wurden von 1961 bis 1965 mehr als 100 000 Juden nach Israel gebracht, ganze Dörfer umgesiedelt.

Das jüdische Viertel Mellah von Marrakesch.
Das jüdische Viertel Mellah von Marrakesch.

© Abdel Mohsin el-Hassouni / picture alliance / dpa

„Jetzt erleben wir eine Renaissance“, erzählt Lévy. „Plötzlich fragen sich die Menschen: Wer sind wir? Wo sind die Juden, die gehören zu uns! Man spürt plötzlich den Verlust wie eine Amputation.“ Und das spiegelt sich auch in den Filmen, die nun in der Akademie gezeigt werden.

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