zum Hauptinhalt
Berlins nächster Star? Die Musikerin Joplyn.

© Ali Kanaan

Joplyn und ihr Debütalbum „Pappelallee“: Die Frühlingsbotin

Housemusic fürs Homeoffice: Die Berliner Musikerin Joplyn präsentiert ihr feines Debütalbum „Pappelallee“.

Alle Welt ist sich einig, dass das vergangene Jahr eine Zeit zum Vergessen war und nun sitzt diese junge Frau vor einem und sagt: „Für mich war 2020 ein schönes Jahr.“ Amazon-Chef Jeff Bezos hat diesen Satz vielleicht heimlich gedacht, ausgesprochen gehört hat man ihn fast nie. Wenn man Joplyn an einem milden Nachmittag im Januar vor dem Naturkundemuseum in Mitte trifft, stellt man schnell fest: Sie meint das ernst. Es war ein schönes Jahr für sie, weil sie mehr Zeit als sonst gefunden hat, sich in ihr Studio einzuschließen und zu produzieren. So gut wie jeden Monat hatte sie einen Song geschrieben, ein Video dazu gedreht und als Botschaft aus dem Lockdown via Youtube in die Welt verschickt.

Und dazu noch ihr Debütalbum mit dem Titel „Pappelallee“ (erscheint bei Stone Free) fertiggestellt, das gerade erschienen ist. Wer es hört, dem kommt 2020 auch sofort weniger trüb vor. Man vergisst den Winter, Trump und Corona, denkt stattdessen an den nächsten Frühling und weiß plötzlich ganz sicher, dass schon sehr bald wieder alles gut werden wird. Pumpende Bässe, verspielte Elektroniksounds und dazu diese Stimme, die einen wärmt wie ein gut gefütterter Mantel: „Pappelallee“ bringt einen auch im trostlosesten Homeoffice zum Tanzen.

Joplyn ist jung, so jung, dass sie nicht will, dass man ihr genaues Alter angibt. Nicht weil sie von Elizabeth Taylor oder Karl Lagerfeld gelernt hätte, wie man sich selbst mystifiziert. Sie nennt ihr Alter, alles kein Problem, man möge es aber doch bitte nicht niederschreiben. Und sie führt dazu auch ein paar plausible Gründe an. „Man wird in der Elektronikszene, wo vor allem alte Männer regieren, als Frau eh schon in eine bestimmte Schublade gesteckt und steht unter besonderer Beobachtung“, erklärt sie, „aber ich möchte den Fokus nur auf meine Musik richten. Und nicht darauf, dass ich eine Frau bin oder jung oder Asiatin.“

Geheimnisvoller Paradiesvogel in ausgefallenen Kostümen

Auch ihren bürgerlichen Namen will sie lieber nicht öffentlich verbreiten. Sie ist Joplyn, so wie Madonna Madonna ist und Lady Gaga Lady Gaga. „Ich habe eine klare Message mit meiner Musik“, sagt sie, „und dafür braucht es nur diesen einen Namen. Außerdem versuche ich, das Künstlerische von meinem Privatleben zu trennen.“ Wow. Diese Reflektiertheit, diese Abwesenheit jeglicher Naivität, das macht schon ein wenig sprachlos. Doch wenn man sich genauer anschaut, was Joplyn bislang gemacht hat, ihren Weg hin zu „Pappelallee“ betrachtet, wird klar: Sie wird sich schon seit einer Weile mit der Frage beschäftigt haben, was es bedeutet, als Musikerin Karriere zu machen. Denn sie weiß schon lange, dass sie genau das tun wird.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Seit ungefähr fünf Jahren bastelt sie an ihrer eigenen Musik herum. Sie spielte zuerst Klavier, dann kam der Gesang dazu. Sie begann, auf dem Klavier mehr Akkorde zu spielen und ihre Stimme stärker in den Vordergrund zu rücken. Am Anfang galt ihr Interesse noch eher Soul und R ’n’ B, sie liebte Sade. Dann ging es langsam los mit der Elektronik, mit House und Techno, aus der Songschreiberin wurde langsam eine Produzentin, die auch singt. Sie richtete sich ein kleines Homestudio ein und entwickelte ihren eigenen Stil. Und sie produzierte ihre eigenen Video-Clips, von denen sie viele auch selbst schnitt. In den meisten davon, die erstaunlich professionell aussehen, tanzt sie und inszeniert sich als geheimnisvoller Paradiesvogel in ausgefallenen Kostümen. Sie spielt hier bereits den Popstar, der sie zweifellos bald sein wird.

Vor fast drei Jahren wurde das international angesagte Berliner House-Duo Booka Shade auf Joplyn aufmerksam und lud sie ein, gemeinsam die Nummer „Against The Stream“ aufzunehmen. Die Routiniers produzierten die Beats, Joplyn sang. Ja, sagt die Musikerin, Booka Shade seien ihre Mentoren und sie sei ihnen „mega dankbar“. Im September, als man aufgrund niedrigerer Fallzahlen für einen Moment an etwas anderes denken konnte als an Corona, hatte sie mit dem Duo ihren ersten Liveauftritt überhaupt im Kreuzberger Club Ritter Butzke. „Ich habe dabei gesungen und ein bisschen an meinen Effektgeräten herumgespielt.“ Booka Shade ebneten ihr den Weg, auf dem sie dann alleine weitergegangen ist. Für ihr Album brauchte sie die Herren nicht mehr, sie hat es im Alleingang eingespielt.

Den Namen hat sie bei Janis Joplin geliehen

Ihren Künstlernamen hat sie sich schon in ihrer Songwriter-Phase zugelegt. „Ich saß beim Frühstück und war gerade sowieso auf der Suche nach einem passenden Namen. Da spuckte der Algorithmus von Spotify plötzlich eine Nummer von Janis Joplin aus. Und ich dachte mir: Warum nicht Joplin, aber in einer ein bisschen abgeänderten Form“, erzählt sie. Denn die Blues-Sängerin aus der Hippie-Ära sei neben Sade eine weitere wichtige Inspiration für sie gewesen, „so wie generell starke Frauen in der Musik wichtig für mich sind.“

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Joplyn ist ein Berlin-Kind, aufgewachsen im Prenzlauer Berg. Der Albumtitel „Pappelallee“ ist eine Hommage an die Straße, in der sie gewohnt hat, bevor sie im Alter von sieben Jahren nach Mitte gezogen ist, wo sie immer noch lebt. Ihr Vater kommt aus Vietnam, dessen Familie ist aber nach Kanada übergesiedelt, wohin sie stärkere Bezüge hat. In Vietnam ist sie noch nie gewesen. Dass Berlin die Stadt ist, die sie geprägt hat und die sie liebt, macht sie nicht nur mit ihrem Albumtitel deutlich. Es gibt auch diese etwas ältere Nummer von ihr mit dem Titel „Dear B“, in deren Clip Impressionen ihrer Heimatstadt zu sehen sind. Und in dem sie mit ihrer strengen Pferdeschwanz-Frisur ein wenig Sade ähnlich sieht. Auch ihre nächsten Alben – eines ist fast schon wieder fertig – sollen nach ihr wichtigen Orten in Berlin benannt werden.

Noch ist nicht abzusehen, wann sie auch vor einem leibhaftigen Publikum zeigen kann, was sie draufhat. Aber sie bereitet sich schon auf den großen Moment vor. Sie hat sich gerade ein paar DJ-CD-Player ausgeliehen, zig Dance-Tracks heruntergeladen und übt nun das Auflegen, womit sie bis vor kurzem keinerlei Erfahrung hatte. Sie will live auftreten, aber auch mal hinter den Decks stehen, wenn das hoffentlich spätestens im Sommer wieder möglich ist.

Und wenn sie das Mixen so angeht wie ihre Musik, da kann man sich ganz sicher sein, wird das etwas werden. Berliner DJ-Größen wie Ellen Allien, Monika Kruse und La Fleur haben sie geprägt, Frauen, die es in der Männerwelt, in die sie sich nun hineinbegibt, geschafft haben. „Mein Ziel ist es, irgendwann selbst anderen zu zeigen, dass man es als Frau schaffen kann“, sagt sie. Und man weiß: Sie wird auch dieses Ziel erreichen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false