zum Hauptinhalt
John von Düffel, Potsdamer Schriftsteller, 2020

© Sebastian Rost/PNN

John-von-Düffel-Roman "Der brennende See": Zum Durchwinken zu heiß

Der Klimawandel als Romanstoff: John von Düffel erzählt in „Der brennende See“ allzu gefällig von einem Generationenkonflikt.

Es ist erst April und schon erschreckend warm. Und trocken, viel zu trocken. Der Baggersee in John von Düffels neuem Roman „Der brennende See“ (Dumont Verlag, Köln 2020, 320 Seiten, 22 €.) ist von den Folgen des Klimawandels jedoch bislang nur wenig betroffen; er verdankt seine Entstehung einer Grundwasserquelle.

Das macht ihn für viele Menschen in der kleinen Stadt irgendwo in Deutschland zu einer begehrten Idylle. Keine „Postkarten-Schönheit“ zwar, aber inmitten staubtrockener Felder und den Hinterlassenschaften des Kieswerks, das hier einst Sand abgebaut hat, doch ein guter Ort zum Zelten, Grillen und Schwimmen.

Weil der Mensch aber ist, wie er ist, steht es um die Zukunft des Sees schlecht. Abfälle bleiben liegen, alte Fahrräder werden im Wasser entsorgt. Die Stadt würde das Fleckchen am liebsten in eine Mülldeponie umwidmen. Es gibt aber Menschen wie Matthias, der den privatisieren will.

Abgezäunt von der Allgemeinheit, soll er das Kronjuwel einer Seniorenresidenz werden. Vielen in der Stadt gilt Matthias deshalb als „Öko-Kapitalist“, auch seiner Tochter Julia, der Anführerin der hiesigen Klimaaktivisten.

Mit ihrer zunehmenden Radikalität entfernt sie sich immer mehr von ihren Eltern, die anfangs selbst solidarisch Freitag für Freitag mit den Schülern mitdemonstrierten.

Matthias und seine 16-jährige Tochter Julia sind nur Nebenfiguren in diesem Roman, nicht anders als der Rest der vierköpfigen, mit Blick auf den See wohnenden Familie: Vivien, die Mutter mit ihrem vermeintlich heimlichen Doppelleben, und Marvin, der mit seiner Hyperempathie etwas unheimlich wirkende jüngste Sohn.

Von Düffel ist auf Wasser abonniert

Düffels Heldin heißt Hannah und war zu Schulzeiten Viviens beste Freundin. Die Enddreißigerin ist nur deshalb zurück in ihrer Heimatstadt, um den Nachlass ihres kürzlich verstorbenen Vaters zu regeln, zu dem sie zuletzt nur noch wenig Kontakt hatte. Der wiederum, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, tat zu Lebzeiten nichts lieber, als Tag für Tag in besagtem Baggersee seine Runden zu drehen.

John von Düffel ist als Autor auf Wasser und Geschichten vom Schwimmen regelrecht abonniert, und zwar seit seinem Romandebüt „Vom Wasser“ aus dem Jahr 1998. Umso erfrischender war es daher, als der 54-jährige Potsdamer Autor und Dramaturg zuletzt in „Klassenbuch“ von einer Schulklasse von morgen erzählte, mit faszinierend individuellen jugendlichen Protagonisten, gefangen zwischen sozialem Dauerstress und vielen Kollisionen zwischen Realität und Virtualität.

Überraschend klischeehaft wirkt dagegen im neuen Roman die altkluge, vorzeitig erwachsen gewordene Julia. „Alkohol ist ein Porenöffner“ erklärt sie allen Ernstes der zitternden Hannah, nachdem die Schülerin sie aus dem See ziehen musste. Mögen sich ihre Eltern in bürgerliche Kalamitäten verstricken, Julia geht es ums große Ganze, um „Mobilisierung“, um „Klimagerechtigkeit“! Schnell wird klar, worum es John von Düffel geht: um den Generationenkonflikt unserer Tage, bei dem die „Generation Greta" durch deutsche Innenstädte marschiert, Seite an Seite mit sich wieder jung fühlenden ehemaligen Anti-AKW-Aktivisten.

Die Heldin ist dauernd betrunken

Zu Letzteren gehörte auch Hannahs Vater, der kurz vor seinem Tod noch einmal den Glauben an die Veränderbarkeit der Welt zurückgewonnen hat; er fungiert offensichtlich als eine Art Stellvertreter des Autors im Roman. „Es schien“, beobachtet Hannah, als sie auf der Suche nach Julia in eine FFF-Demo gerät, „als hätten sich die Jüngsten und die Ältesten zusammengetan, um gegen die mittlere Generation zu demonstrieren, die das System am Laufen hielt und somit verantwortlich war für den Zustand der Welt. Doch wahrscheinlich mussten die meisten Eltern schlicht arbeiten und konnten deshalb nicht hier sein.“

Zu dieser mittleren, privilegierten Generation gehört auch Hannah, die auf den 320 Seiten wohl nicht nur aus Trauer, sondern auch aufgrund einer gewissen für ihr Leben charakteristischen Verantwortungslosigkeit, gefühlt ständig betrunken oder verkatert ist. Genau weiß man es aber nicht, weil Hannah als Protagonistin überaus blass und fade bleibt. Über das Leben, gerade nach der Scheidung ihrer Eltern, erfährt man kaum mehr, als dass sie nach der Beerdigung ihres Vaters mit dem Anwalt der Familie, betrunken natürlich, im Bett gelandet ist – was das Gespräch mit diesem zwielichtigen Dr. Lüders über den letzten Willen ihres Vaters nicht gerade einfacher macht.

Dieser eröffnet Hannah in einem der vielen papierenen Dialoge in diesem Roman, ihr Vater habe sie kurz vor seinem Tod noch enterbt zugunsten einer Stiftung. Wie es dazu kam und was es mit der geplanten Stiftung auf sich hat, will der Anwalt der Tochter aber nicht sagen. Wenig überraschend fühlt sich Hannah schlagartig tief verletzt; dabei war sie eben noch wild entschlossen, das Erbe gar nicht anzunehmen.

Hannah sucht nach Antworten: Woher kam der letzte Sinneswandel ihres Vaters? Wer ist die junge Frau, die sie in seiner Wohnung auf einem Foto mit ihm entdeckt hat? Hat sie etwas mit dem geänderten Testament zu tun? Diese Fragen treiben den Roman zwar spannungstechnisch an. Aber plausibel wird eigentlich nie, warum Lüders, Vivien und Matthias entscheidende Informationen vor Hannah zurückhalten, weshalb von Düffels Erzählmaschinerie trotz der routinierten Schreibe ganz schön ins Stottern gerät.

Unterm Strich muss man daher leider sagen, dass John von Düffels „Der brennende See“ wenig mehr als gefällig zu lesende Zeitgeist-Literatur ist. Aber brauchen wir wirklich Bücher zum Abnicken und Durchwinken? Nichts gegen den Klimawandel als Romanstoff. Nur sollte man als Schriftsteller seine Leser doch bitte schön etwas mehr herausfordern als mit einer schlechten Greta-Thunberg-Kopie.

Zur Startseite