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Sehen, was verbindet. Der amerikanische Regisseur John Madden, 68, will mit seinen Filmen helfen, kulturelle Unterschiede zu verstehen.

© Warren Toda/dpa

John Madden über die USA: "Es ist, als würde man einem dramatischen Autounfall zusehen"

Regisseur John Madden über den langsamen Zerfall des US-amerikanischen Politsystems, die Macht der Lobbys - und was Geschichten dem entgegensetzen können.

Mr. Madden, hätte Ihr Film auch mit einer männlichen Hauptfigur funktioniert?

Nein. Der emotional dysfunktionale Outlaw, der sich gegen das System stellt, ist eine allzu klassische Figur des US-Kinos. Dass es eine Frau ist, macht es sehr viel interessanter. Es gibt mächtige Frauen im politischen Establishment Washingtons, aber sie sind immer noch in der Minderheit. Wir haben ja gerade erlebt, wie eine Frau, die glaubte, ins Weiße Haus einziehen zu können, systematisch dämonisiert und entwertet wurde. Elisabeth Sloane würde sich nie über ihr Geschlecht definieren, sie wendet keine „weiblichen“ Tricks an, um ihre Ziele zu erreichen, sondern arbeitet mit Argumenten, Überredungskunst und gezielten Überraschungen.

Wie nah ist der Film an der politischen Realität in Washington?

Nicht alle Lobbyisten arbeiten mit solch harten Bandagen. Aber wir wollten zeigen, wie die politischen Narrative kontrolliert werden. Die Waffenlobby erlangte immer wieder die Kontrolle über die öffentliche Diskussion. Kein Mensch außerhalb der USA versteht, warum über Jahrzehnte kein Gesetz den Kongress passierte, das den Waffenbesitz reglementiert. Wie wichtig die Kontrolle der Narrative ist, wird im Zeitalter der Fake News immer deutlicher. Wir leben in einer Zeit, in der es keinen Respekt mehr vor dem politischen Diskurs gibt.

Trump und der Brexit zeigen, dass sich die Menschen aus guten Gründen, aber mit fatalen Folgen vom Establishment abwenden. Auch Ihr Film geht mit dem politischen System der USA hart ins Gericht.

Es ist nicht leicht, heute einen Film über das Wesen der Politik zu machen. Es gibt einen hohen Grad von Angewidertsein gegenüber der Politik, was wir dringend überwinden müssen. Und in Europa sind viele heimlich vom US-Politiksystem und seinem Zerfall fasziniert. Es ist, als würde man einem dramatischen Autounfall zuschauen. Wir leben in einer Zeit der Demagogie, da zieht man sich zur Erholung in die eigenen Echokammern zurück – eine gefährliche, polarisierende Tendenz.

Sie arbeiten in Großbritannien und den USA, beide Länder schotten sich zunehmend ab. Wie nehmen Sie das wahr?

Es gibt eine Rückkehr zu Selbstbezogenheit und Nationalismus. Ich verstehe, dass es ängstliche Reaktionen auf die Globalisierung gibt. Aber ich bin Geschichtenerzähler: Filme helfen, die kulturellen Unterschiede zu verstehen. Und das, was uns trotzdem verbindet.

Die Fragen stellte Martin Schwickert.

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