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Visionär. John Carpenter schreibt seine Filmmusik selbst.

© imago/Pacific Press Agency

John Carpenter zum 70.: Die Klapperschlange und der irre Schlitzer

Unter den Großen des US-Kinos ist John Carpenter der coole Cowboy. Ein Kind der Gegenkultur und ein Meister des Horrors. Heute feiert der Regisseur seinen 70. Geburtstag. Eine Würdigung.

Von Andreas Busche

Die Logik einer Bombe ist unbestechlich, mit ihr lässt sich nicht streiten. „Es werde Licht!“, mit diesen Worten endet die Science-Fiction-Farce „Dark Star“ von 1975 über den Sternenzerstörer gleichen Namens – und mit ihnen beginnt auch die Karriere des Regisseurs John Carpenter. Dem Absolvent der einflussreichen Regieklasse der University of Southern California (USC) gelang gleich mit seinem Abschlussfilm ein Hit für die studentischen Mitternachtskinos, eine Slapstick-Variante von Kubricks psychedelischer Weltraumoper „2001“.

Carpenters Space Cowboys sahen aus wie Hippies, träumten vom Surfen auf der perfekten Welle und führten philosophische Diskussionen mit einer sprechenden Neutronenbombe über den Sinn des Lebens und die Notwendigkeit, im All zu detonieren – und nicht an Bord des Raumschiffs. Zwei Jahre später schrieb George Lucas mit „Star Wars“ die Regeln des Genres neu, aber Carpenters Film ist noch durchdrungen vom Geist der Gegenkultur. Auf Fotos der Zeit sieht man ihn manchmal im Rollkragenpullover und meist mit Zigarette im Mundwinkel.

Seine Filme waren visionär

John Carpenter, der heute vor 70 Jahren in Carthage, New York geboren wurde, ist unter den Großen des amerikanischen Genrekinos selbst immer der coole Cowboy geblieben. Ein Kind der kalifornischen Gegenkultur, der sich wie andere berühmte Alumni der USC, George Lucas oder Robert Zemeckis etwa, ein Herz für die Veteranen des klassischen Hollywoodkinos bewahrt hat (er selbst zählt die Western-Regisseure Howards Hawks und John Ford zu seinen prägendsten Einflüssen), dann aber tatsächlich mit einem John-Wayne-Aufkleber an der Stoßstange seiner Studentenkarre herumfuhr. Eine Provokation zwar, aber durchaus auch ein wenig bewundernd.

Carpenter hat mit seinen Filmen den amerikanischen Männlichkeitskult gepflegt und dafür in Kurt Russell einen Darsteller gefunden, der diese Haltung kongenial verkörperte: tatkräftig, wortkarg, aber nicht ohne Selbstironie. Carpenter und Russell, das war in den achtziger Jahren das Dream Team im Genrekino Hollywoods, in dem die Grenze zwischen Horror, Science-Fiction und Action oft nahtlos verlief. Der Endzeit-Film „Die Klapperschlange“ (1981), in dem ein streng bewachtes Manhattan als Gefängnis für ein totalitäres Amerika dient, und der Body- Horror „Das Ding“ (1982) über einen Alien im arktischen Eis, der seine menschlichen Wirtskörper in den schönsten Formen aufplatzen und metastasieren lässt, wurden von der Kritik anfangs skeptisch beäugt. Heute gelten sie als Klassiker und werden in Uni-Seminaren analysiert. Carpenter war ein Visionär.

Mit „Halloween“ veränderte er das Horrorgenre

Und noch jemand verdankt Carpenter ihre Karriere, obwohl Jamie Lee Curtis es ziemlich bald satt hatte, auf das Image der „Scream Queen“ reduziert zu werden. Curtis spielte 1978 in „Halloween“ eine Babysitterin, die von dem irren Schlitzer mit der Halloweenmaske, Michael Myers, verfolgt wurde. Carpenters unblutiger Slasherfilm war ein game changer in der Branche, die erfolgreichste Independentproduktion seiner Zeit und der erste Horrorfilm, der an den Kinokassen abräumte.

Vor allem aber gelang Carpenter mit „Halloween“ sein technisches Meisterstück, dank der mustergültigen Inszenierung von Suspense und Terror. Carpenters Kameramann Dean Cundey benutzt die ganze Breite des Panavision-Formats, um die repressive Enge der Suburbia einzufangen – unterstützt von einem pulsierenden Synthesizer-Soundtrack, der das Gefühl der Bedrohung noch verstärkt.

Carpenter komponierte viele seiner Soundtracks selbst

Carpenters Bedeutung als Komponist ist ebenso weitreichend wie die als Regisseur. Er hat für fast alle seine Frühwerke den Soundtrack komponiert – ein weiterer Grund, warum seine Handschrift über das Genrekino hinaus nicht hoch genug einzuschätzen ist. Die Titelmelodien zu „Assault - Anschlag bei Nacht“ (1976), „The Fog – Nebel des Grauens“ (1980) und „Die Klapperschlange“ waren auch ein wichtiger Einfluss für die Entwicklung von House und Electro.

In den späten Achtzigern, nach einem enttäuschenden Abstecher ins schillernde Hollywood, begann sein Stern zu sinken, obwohl zwei seiner besten Film, der Okkult-Horror „Die Fürsten der Dunkelheit“ und die Reagan-Satire „Sie leben“ in diese Zeit fallen. Seine letzte Regiearbeit „The Ward“ liegt bereits acht Jahre zurück, parallel dazu wuchs jedoch sein Ansehen – als Maverick des Genrekinos und als Komponist. Zuletzt tourte er mit seinen Filmmusiken, die nichts von ihrer minimalistischen Intensität eingebüßt haben. Mit dem Ende seiner Filmkarriere hat John Carpenter sich anscheinend abgefunden. Doch der Umstand, dass er nach dem Tod von Wes Craven, George A. Romero und Tobe Hooper der letzte überlebende „Master of Horror“ ist, macht es umso wichtiger, seinen 70. Geburtstag gebührend zu würdigen.

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