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Jörg Widmann

©  dpa/Hendrik Schmidt

Jörg Widmann im Boulez Saal: Botschaft der Klarinette

Von wegen harmlos: Jörg Widmann ehrt mit einem Lecture-Konzert im Pierre Boulez Saal den romantischen Komponisten Carl Maria von Weber.

Der Pianist Denis Kozhukhin erscheint auf der Spielfläche inmitten des Pierre Boulez Saales, verneigt sich sehr knapp und vermeidet jedes Aufsehen eines Solisteneintritts, um spontan in die aufrauschende Kantabilität von Carl Maria von Webers As-Dur-Sonate Opus 39 zu sinken. Das Ganze ist gebundene Melodie. Den Interpreten trägt der lyrische Atem der Musik, con molt’affetto gesungen. Energie des Anschlags und Zurücknahme ins Pianissimo sind von der Art, dass Klarheit über den Harmonien schwebt. Fast unmerklich nimmt der Spieler die Modifikationen des Tempos wahr, selbst Arpeggien und perlende Passagen sind Abbilder romantischer Fantasie.

So schickt der russische Musiker voraus, was Jörg Widmann in seinem Plädoyer für den Komponisten in einer „Einführung mit Klangbeispielen“ betont. Er wirft einen Blick hinter die scheinbare Harmlosigkeit der Weberschen Musik, um deren Tiefe aufzuspüren. Ist solche Verteidigung überhaupt nötig, fragt man sich, wo von dem Meister die Rede ist, der die von der Wolke verhüllte Sonne in seinen Naturempfindungen malt? Um Harmonien geht es jedenfalls, „die man nicht erwartet“. Dies prägt Widmann dem Publikum ein, als getreuer Korrepetitor am Klavier, das er imponierend beherrscht. Und anhand des „Freischütz“ lässt er seine Liebe für Webers Werk spüren, um auf das Klarinettenquintett zu kommen, das als Hauptwerk des Abends erklingt.

Widmann spricht als Klarinettist - und als Komponist

Ein Lecture-Konzert also für Carl Maria von Weber. Und Widmann spielt darin nicht nur die Klarinette mit dem Eigenwert ihrer Klangfarbe, sondern spricht auch als Komponist. Im Spielen des Weber-Quintetts höre er nicht auf, Komponist zu sein, umgekehrt aber auch nicht Interpret zu sein, „wenn ich meine ,Babylon’-Oper schreibe“. Dieses Werk, ein Welttheater um die Kultur am Euphrat, das 2012 mit viel Erfolg an der Bayerischen Staatsoper herauskam, wird in einer überarbeiteten Fassung ab März 2019 Unter den Linden zu betrachten sein. In orientalischer Nacht sendet in den Hängenden Gärten von Babylon eine Klarinette ihre Botschaften.

Für das Quintett, in dem er sich als Instrumentalist ersten Ranges zeigt, hat Widmann sich des anschmiegsamen jungen Goldmund Quartetts versichert. Dessen Cellist Raphael Paratore setzt sein Zeichen mit dem zart aufklingenden Hauptmotiv der Fantasia. Das führende Blasinstrument kommt indes zu dem Solo, das sich dem Münchner „Clarinettgenie“ Heinrich Baermann verdankt, einem engen Freund Webers. Mit weitem Ambitus galoppiert der Solist schließlich zu einem Feuerwerk der Virtuosität, das beseeltes Spiel bleibt. Widmann hat sich eine musikalische Vielseitigkeit erobert, die Türen öffnet.

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