zum Hauptinhalt
Joan As Police Woman und Benjamin Lazar Davis aus New York.

© Reveal Records

Joan As Police Woman live in Berlin: Magie, Mechanik, Herzschmerz

Joan As Police Woman und Benjamin Lazar Davis gaben im Heimathafen Neukölln ein wunderbares Konzert mit den Songs ihres Albums "Let It Be You".

Gäbe es einen Preis für das Bühnen-Outfit mit der schönsten Geschichte, müsste er in diesem Jahr an Joan As Police Woman und Benjamin Lazar Davis gehen. Die beiden tragen bei ihrem Berliner Auftritt blaue Mechaniker-Overalls, was eher unglamourös wirkt. Doch dann erzählt Davis, wie er zu seinem etwas verwaschenen Exemplar kam. „Als ich mal in Afrika war, habe ich einen Mann gesehen, der diesen Overall trug. Ich schlug ihm vor, ihn gegen meine Kleidung zu tauschen.“ Der Mann aus Ghana war einverstanden und bekam T-Shirt und Shorts des amerikanischen Musikers.

Zurück in New York zeigte er Joan Wasser alias Joan As Police Woman sein neues Kleidungsstück. Sie entgegnete, dass sie selber genau so einen Overall besitze. Ein Zeichen! Die beiden beschlossen, zusammen ein Album aufzunehmen, auf dem Cover ein Foto von ihnen in den blauen Anzügen. So geschah es: „Let It Be You“ ist vor einigen Wochen erschienen.

Nach vier Solo-Alben spielt Joan Wasser erstmal mit einem Partner

Die zehn gemeinsam verfassten Songs zeigen, dass sie nicht nur modisch, sondern auch musikalisch einen Draht zueinander haben. Beim Konzert im Heimathafen Neukölln wird dann sogar deutlich: Die beiden sind ein Pop-Traumpaar! Wie sie da nebeneinander an ihren Keyboard,- Orgel- und Effektgerätetischen stehen und sich perfekt ergänzen. Das liegt vor allem daran, dass sich Benjamin Lazar Davis passgenau in die schillernde Soul-Pop-Welt von Joan As Police Woman einfügt. Ihr in den letzten zehn Jahren auf vier Solo-Alben entwickelter Sound scheint immer durch, ihre rubinrot funkelnden Melodien und die bittersüße Melancholie prägen sowohl „Let It Be You“ als auch das Konzert. Mit ihrem Multiinstrumentalisten-Kollegen, der unter anderem bei der Indie-Combo Okkervil River Bass spielt, hat die gelernte Violinistin ihr Klangspektrum lediglich etwas stärker elektrifiziert und sich damit noch weiter von ihren Kammerpop-Anfängen entfernt.

Gelegentlich übernimmt Benjamin Lazar Davis den Leadgesang

„Magic Lamp“ etwa, das sie gleich als Zweites spielen, ist ein typisches Joan-As-Police-Woman-Stück in mittlerem Tempo, das sich lange auf einem sprunghaften Gitarrenmotiv und einer energischen Orgelharmonie aufbaut, bis es in einen dieser betörenden Refrains mündet, deren Wärmeabstrahlung es locker mit einem Kaminfeuer aufnehmen kann. Mit wackelnden Locken und weit aufgerissenen Augen singt Benjamin Lazar Davis die zweite Stimme. Nur gelegentlich übernimmt er den Leadgesang, wie etwa bei „Hurts So Bad“, wo man ihm jede Herzschmerzzeile trotz hohem Klischeefaktor sofort abnimmt: „It hurts so bad how much I love you/ Makes me wanna die when I’m thinkin’ of you“, barmt er in blaues Licht getaucht.

Begleitet werden Wasser und Davis von Schlagzeuger Ian Chang und Gitarrist Ryan Dugre. Die in schwarzen Overalls auftretenden Musiker tragen entscheidend dazu bei, dass dieses 80-minütige Konzert zu einer derart beglückenden Erfahrung wird. In „Let It Be You“, dem elektropoppigsten Song des Albums, lässt Chang über die gerade Bassdrum gebrochene Handclap- Beats springen, während Dugre an der Gitarre so lange Morsezeichen sendet, bis er einen Lärmanfall bekommt. Sehr schön auch: das stark verzerrte Zackenmotiv, mit dem Dugre „Broke Me In Two“ eröffnet und das er ein paar Lieder später noch einmal aufgreift.

Eine härtere Version von "The Magic"

Joan Wasser, die einst mit Anohni, Rufus Wainwright und Lou Reed auf der Bühne stand, fühlt sich sichtlich wohl mit diesen drei Begleitern. Auch bei älteren Stücken wie „The Ride“ treffen sie genau die ursprüngliche Flauschatmosphäre und streuen noch ein bisschen Flitter hinein. Den bekanntesten und eingängisten JAPW-Song „The Magic“ geht das Quartett deutlich härter und etwas schneller an, als man es vom Album kennt. Statt der Orgel hat Davis' Bass zu Beginn die Führung. Und natürlich gelingt diese Neuinterpretation, weil Joan Wasser dann doch noch in die Tasten greift und alle vier den Refrain singen. Helle Freude im Publikum. Warme Herzen auf dem Nachhauseweg.

Zur Startseite