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Geld und Sex. Ramona (Jennifer Lopez) und Destiny (Constance Wu) zeigen Solidarität in einer Männerwelt.

© Courtesy of STXfilms

Jennifer Lopez als Working Girl: Das Drama „Hustlers“ ist Kapitalismuskritik an der Polestange

Lorene Scafaria „Hustlers“ will ein feministischer Ermächtigungsfilm sein. Nur statt soziale Kritik zu liefern, feiert der Film den hemmungslosen Konsum.

Von Andreas Busche

Im klassischen Hollywoodkino war das working girl der Inbegriff der modernen Frau. Sie setzte sich mit vorlautem Mundwerk und gedankenschnellem Witz in traditionellen Männerdomänen durch, am schönsten vielleicht verkörpert von Katharine Hepburn in ihren Filmen mit Spencer Tracy und natürlich von Rosalind Russell als Gesellschaftsreporterin Hildy in der Screwball-Comedy „His Girl Friday“.

Später bekam der emanzipatorische Begriff einen liederlichen Beigeschmack, in der Reagan-Ära wurde das working girl zum Synonym für Körperarbeit, Prostitution und Escort-Dienstleistungen. She works hard for the money.

Lorene Scafarias „Hustlers“ versucht das nahezu Unmögliche, diese beiden Arbeitssphären zusammenzubringen: das emanzipatorische Selbstverständnis mit der Körperarbeit. Sozusagen eine body positivity mit Preisschild, als Gegenentwurf zur immateriellen Arbeit an den Finanzmärkten, auf die die Heldinnen von „Hustlers“ plötzlich, eine interessante Machtverschiebung in der Blickachse, herabschauen.

Über den Köpfen der Wallstreet-Broker windet und schlängelt sich Ramona (Jennifer Lopez) an der Polestange in einem Regen aus Geldscheinen. Im Stripclub werden abstrakte Geldwerte wieder zu haptischen Banknoten.

Lopez spielt die Grande Dame eines New Yorker Premium-Stripclub, in dem es auf dem Höhepunkt des Finanzbooms Anfang der 2000er-Jahre die Alphatiere der Wall Street nach der Arbeit so richtig krachen lassen. Die erste Viertelstunde fängt die Stimmung hinter den Kulissen und auf der Bühne in einer mitreißenden Sequenz ein, die an Martin Scorsese Mafiafilme erinnert.

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Die Arbeitsbedingungen werden dabei allerdings auch bedenklich glorifiziert. In der Umkleide herrscht, anders als im Camp-Klassiker „Showgirls“, Solidarität unter den Frauen (darunter Cardi B und Lizzo, die im aktuellen Hip-Hop sehr gegensätzliche Körperbilder propagieren). Der Feind sitzt draußen: die gegelten Anzugtypen, die mit Geldscheinen winken.

In Rebecca Zlotowskis „Ein leichtes Mädchen“ fragte kürzlich die Hauptdarstellerin, warum ihre Arbeit als Escortgirl unmoralischer sein soll als die eines Investmentbankers. „Hustlers“ dreht diese Frage klug weiter. Ramona, Destiny (Constance Wu, aus „Crazy Rich Asians“), Mercedes (Keke Palmer) and Annabelle (Lili Reinhart) beobachten die Männer, die Frauen anstarren (anfassen ist nicht!), die Kamera von Todd Banhazl folgt dieser Blicklogik. Mit dem Finanzcrash 2008 findet die Party ein Ende.

Die Regisseurin verfällt ihren Frauen

Als sich die Rauchschwaden lichten, stehen die Frauen plötzlich ohne Jobs da. Arbeitslose Banker sind keine Geldquelle, russische Prostituierte – da hört die Solidarität auf – sind billiger und williger. Destiny, die Ramona unter ihre Fittiche nimmt (beziehungsweise in ihren Pelzmantel hüllt), bekommt ein Baby und muss im Niedriglohnsektor schaffen.

Als sich abzeichnet, dass an der Wall Street die einzigen sitzen, die von der Krise profitieren, schmiedet Ramona einen Plan: Die Ausgebeuteten beuten die Ausbeuter aus, mit nackter Haut und KO-Tropfen erleichtern sie ihre männlichen Opfer.

Aber die moralische Wendung nimmt man dem Film nicht ab, ebenso wenig wie im vergangenen Jahr den Protagonistinnen in Steve McQueens „Widows“. Scafaria schafft ein wenig Distanz durch eine zweite Zeitebene, in der Destiny einer Journalistin (Julia Stiles) die Geschichte ihrer krummen Tour erzählt – „Hustlers“ basiert auf einer Reportage im Magazin der „New York Times“ von 2014.

Aber dort, wo „Widows“ (oder auch Steven Soderberghs „Magic Mike“ über eine Gruppe von männlichen Strippern in einem abgerockten Nachtclub in Florida) wenigstens interessant wird, wo der Blick nämlich sensibilisiert ist für das brüchige soziale Gewebe, das Kriminalität erst begünstigt, verfällt Scafaria ihren Frauen.

Allen voran Jennifer Lopez, die in ihre Figur – eine von persönlichen Rückschlägen vernarbte Seele – viele Erfahrungen aus ihrer eigenen wechselhaften Karriere eingebracht haben dürfte.

Die Ex-Stripperinnen wollen nur shoppen

„Amerika ist ein einziger Stripclub“, faucht Ramona einmal im Film, eine dürftige Quintessenz, die „Hustlers“ aber weidlich ausschöpft. Statt soziale Gerechtigkeit, wie in „Set it Off“ (1996) – der Thriller um vier Bankräuberinnen, ein Kommentar auf die Masseninhaftierung von Afroamerikanern, ist eine wichtige Referenz für Scafaria –, wollen die Ex-Stripperinnen eigentlich nur shoppen.

Die zweite Hälfte ist dann eine schamlose Zurschaustellung von Luxusartikeln, zu Weihnachten schenken sich die Frauen Louboutins (bloody shoes, rappt Cardi B in „Bodak Yellow“) und Pelzmäntel, die Töchter kriegen Barbie-Puppen. Die Frauen schwingen die Kreditkarten genauso siegesgewiss wie ein Broker seine Platinkarte beim Teilen der Koksspur. Konsumfetisch als neuer Feminismus.

„Hustlers“ zeigt aber auch, dass die aktuelle Welle von feministischen Ermächtigungsfilmen aus Hollywood nicht unproblematisch ist. Die neue Diversität im Kino ähnelt im Grunde den Rollenspielen in der Sexarbeit. Auch Lopez und Wu, die Latina und die Asiatin, erfüllen vorgeschriebene (ethnische) Rollenmodelle, die sich im Stripclub fortsetzen. Mit „Hey, Lucy Liu“ ruft ein geldwedelnder Banker einmal Destiny zu sich herüber.

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