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© ddp

Jeanne Moreau: Liberté, toujours

Die Schauspielerin Jeanne Moreau zählt zu den populärsten Filmstars Frankreichs. In mehr als 50 Jahren hat die Französin über 125 Filme gedreht. Heute feiert sie ihren 80. Geburtstag.

Den letzten großen Auftritt in Berlin hatte sie vor wenigen Wochen, bei der Verleihung der Europäischen Filmpreise Ende November. Ganz Grande Dame, im weißen Cape, mit schwarzer Ansteckrose und schwarzen Spitzenhandschuhen – wer trägt mit so selbstverständlicher Eleganz noch Spitzenhandschuhe? – hatte Jeanne Moreau die ganze Bühne für sich, als sie nach dem desaströsen Auftritt des schwer alkoholisierten Kameramanns Christopher Doyle, der die anwesenden Filmleute pauschal als Huren bezeichnet hatte, in der ihr eigenen Mischung aus Grandezza und Coolness mit rauchiger Stimme bekannte: „Ich bin sehr stolz, eine solche Hure zu sein.“

Jeanne Moreau, das ist der europäische Film, in seinem ganzen Glanz, seiner Würde, seiner Weisheit. Seiner Widerständigkeit auch, gegen Zugeständnisse an Quoten, Zahlen, Massengeschmack. „Ein Film ist wie ein Personalausweis: er verrät viel über den Träger“, hatte sie zuvor auf dem roten Teppich erklärt. Und entwickelt in der Arena Treptow das Thema virtuos weiter: Das Kino sei der einzige Ort, wo man auf Reisen gehen könnte, ohne ein Flugticket zu buchen: „Filme sind der Spiegel der Welt.“

Auf Reisen gegangen, das ist sie mit den Großen der Filmkunst, mit Truffaut und Antonioni, mit Louis Malle und Bunuel, mit Orson Welles und Fassbinder, mit Theo Angelopoulos und zuletzt François Ozon. Und der Zuschauer ist mitgereist, mit der schönsten Reisegefährtin der Welt: an die Côte d’Azur und in die Tiefen des Schwarzwalds („Jules et Jim“), in die Neubaugebiete und die Villen der Reichen in Mailand („La notte“), durch die nächtlichen Straßen von Paris („Fahrstuhl zum Schafott“), in die Wüste Mexikos („Viva Maria“) und an den winterlichen Strand der Bretagne („Cet amour-là“ über Marguerite Duras).

60 Filme in gut 60 Jahren. Und in den meisten erinnert man: nur sie. Etwas Widerständiges, Auffälliges hat sie immer gehabt, diese Tochter eines französischen Hoteliers und einer britischen Tänzerin. „Ich kann nicht zu Gruppen gehören. Ich habe es versucht. Ich benehme mich normal, aber die Menschen sehen mich nicht normal an.“ Mit dieser Fremdheit hat sie gelebt, hat sich darein gehüllt wie in einen Mantel. Das Wissen darum gibt ihr in den frühen Filmen etwas eigenwillig Mürrisches, Schlechtgelauntes, der berühmte verschattete Blick, die Mundwinkel sind schmollend gesenkt: Hätte man die Wahl, wie Jules und Jim, man würde sich immer dafür entscheiden, mit dieser schwierigen Frau das Leben zu verbringen. Oder zumindest den einen entscheidenden Tag.

In den letzten Jahren ist der Trotz einer unglaublichen Unabhängigkeit gewichen: In Filmen ist sie ein seltener, kostbarer Gast. In François Ozons „Die Zeit, die bleibt“ spielt sie eine Großmutter, die vom nahenden Krebstod ihres Enkels erfährt, ihn aufnimmt, voll Verständnis. „Nein, mein Lieber!“, sagte sie 2005 einem Journalisten, „der Tod macht mir keine Angst mehr.“ Wie könnte er auch?

Heute wird Jeanne Moreau achtzig.

Christina Tilmann

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