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Gitarrenlegende. Bill Frisell.

© Monica Jane Frisell

Jazz im House of Music: Im Tal des roten Flusses

Auftakt mit Bill Frisells "Harmony": Im House of Music an der Revaler Straße beginnt eine neue Jazzreihe.

Von Gregor Dotzauer

Ostwärts, jenseits der Oberbaumbrücke, hat der Jazz in Berlin bisher keine rechte Heimat. Im Café Tasso an der Karl-Marx-Allee, einem herrlich rumpeligen, von Franzosen betriebenen Antiquariat, fristet er neben Kleinkunst aller Art zwar ein lebendiges Dasein. Noch weiter draußen kratzt und schiebt die frei improvisierende Szene immer mal wieder ein paar Töne zusammen.

Aber von einem Ort, der gegen die Techno-Übermacht des Suicide Club und die Pop-Sounds im Astra Kulturhaus auf dem RAW-Gelände eine eigene Anziehungskraft entwickeln könnte, konnte nicht die Rede sein – und das in einer Metropole, von der sich getrost behaupten lässt, in ihr schlage heute das Herz des europäischen Jazz.

Während das städtische House of Jazz nach höchst irdischen Bedenken gegen Till Brönners als allzu glatt kritisiertes Konzept noch immer ein Luftschloss ist, schickt man sich in der Revaler Straße nun an, privat Abhilfe zu schaffen. Christian Rüsenberg, der Geschäftsführer der dort beheimateten Noisy Musicworld, und die Betreiber des Friedenauer ZigZag Jazz Club, Dimitris Christides und Willi Hunz, wollen in dem von hohen Fenstern gesäumten Café im Erdgeschoss des insgesamt 4300 Quadratmeter umfassenden House of Music eine neue samstägliche Konzertreihe etablieren.

Die Popup-Bühne soll Bands Auftrittsmöglichkeiten geben, deren Honorare in den anheimelnd engen Clubs zu astronomischen Eintrittspreisen führen würden, die in den Hallen wegen des intimen Charakters ihrer Musik aber auch verloren wären. Am kommenden Samstag macht der legendäre amerikanische Gitarrist Bill Frisell mit seinem schlagzeuglosen Harmony-Quartett den Auftakt.

Laufkundschaft und alte Fans

Mit den Musikern aller Gattungen, die hier täglich zu Dutzenden in den stundenweise zu buchenden Übestudios, den Noisy Rooms, ein und aus gehen, gibt es eine junge Laufkundschaft, die mit dem Charme des von der Straße her nicht einsehbaren Gebäudes vertraut ist. Zusammen mit einer Jazzklientel, an der viele mittelgroße Acts bisher vorübergingen, könnte ein auch sozial gut durchmischtes Publikum entstehen.

Im Maschinenhaus der Kulturbrauerei, wo die Jazzwerkstatt hin und wieder interessante Konzerte organisiert oder im Weddinger Silent Green, herrscht bei aller begrüßenswerten Vielfalt ein unübersichtliches Gemischtwarenangebot.

Was, müsste man indes auch fragen, bedeutet in diesem Kontext schon Jazz – abgesehen von einer dezibelbegrenzten Form des Musikmachens. Und nicht einmal darauf sollte man sich verlassen. „Harmony“, Bill Frisells soeben erschienene erste Blue-Note-Aufnahme unter eigenem Namen, ist zwar von ausgesprochen ruhiger klanglicher Finesse – und einer überwältigenden Lust am Gesang. Sie feiert die Schattierungen akustischer und elektrischer Gitarren mit dem instrumentalen Alleskönner Luke Bergman, dem hier ganz dezent aufspielenden Cello-Avantgardisten Hank Roberts sowie der Sängerin Petra Haden.

Gattungssprengende Sanftheit

Vom Genre her legt es das Auftragswerk des FreshGrass-Festivals aber darauf an, alle Grenzen zwischen Jazz-Standards, Folk und Country niederzureißen. Billy Strayhorns „Lush Life“ befindet sich in bester Nachbarschaft mit einem im dreistimmigen Schmachten a cappella vorgetragenen „Red River Valley“.

Produziert hat das Ganze Lee Townsend, der mit Frisell für Nonesuch und Sony schon viele Meilensteine aufgenommen hat – zuletzt das betörende Soloalbum „Music IS“. Wenn das kein gutes Motto für die geplante Reihe ist.

House of Music, Revaler Str. 99, Sa 12.10., 21 Uhr, Reservierungen: zigzagjazzclub@gmail.com

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