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Jan Lisiecki wurde am 23.3.1995 im kanadischen Calgary geboren.

© Peter Rigaud

Jan Lisiecki zu Gast beim DSO: Dem Komponisten ins Herz geschaut

Eine Sternstunde: Der Pianist Jan Lisiecki spielt Chopins 2. Klavierkonzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in der Philharmonie.

Der Abend beginnt mit Breitwand-Bombast: Sergej Rachmaninow nutzt für seine Tondichtung „Die Toteninsel“ alles, was die Trickkiste der Programmmusik zu bieten hat, beginnt düster-dräuend, fischt ausgiebig im Trüben, lässt das Kollektiv der Instrumentalisten immer wieder effekthascherisch anschwellen. Und Robin Ticciati genießt es, gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester, diesen plakativen Pessimismus klangfarblich auszureizen.

Wie angenehm schlank und transparent wirkt danach die Orchestereinleitung zu Frédéric Chopins 2. Klavierkonzert. Wobei der DSO-Chefdirigent aber gleichzeitig auch das Gefühl zu vermitteln versteht, dass sich hier alle Beteiligten auf einer sehr dünnen Erdkruste bewegen. Denn unter dieser klassizistischen Oberfläche pulsiert glühende Lava.

Jan Lisiecki, der 24-jährige kanadische Pianist, spiegelt dieses Spannungsverhältnis zwischen Natürlichkeit und drängender Emphase ebenfalls in seinem Spiel. Einerseits gestaltet er den Solopart mit Noblesse, parallel aber lässt er die Zuhörer spüren, dass sich mit dieser Tonsprache die wahren Gefühle des Komponisten kaum noch ausdrücken lassen, dass Chopin musikgeschichtlich an einer Schwelle steht, die andere bald überschreiten werden - um eine sich neue Eskalationsstufe des Emotionalen erschließen zu können.

Die überreichen Verzierungen des chopinschen Stils erscheinen bei Jan Lisiecki als Versuch, auf elegante Weise dem bebenden Herzen Luft zu machen, sich über das wohltemperierte Ebenmaß hinauszuwagen, ohne dabei unschicklich zu erscheinen.

Lisiecki stellt nicht sich in den Vordergrund, sondern das Werk

Dass sich das geheime Seelen-Innenleben des Komponisten auf so packende Weise offenbart, ist Jan Lisieckis integrer Interpretationskunst zu verdanken. Sein Ziel ist es nämlich nicht, sich in den Vordergrund zu spielen, sondern wirklich von den Werken zu erzählen - und statt von den eigenen Befindlichkeiten wie es die Egomanen unter den Virtuosen tun.

Besonders berührend wirkt darum auch das Finale des Klavierkonzerts: Die tänzerische Verspieltheit des „Allegro vivace“ entlarvt Lisiecki als Selbstbetrug: Nichts wird gut, denn die Seele ist wund, wenn der Mund auch lächelt.

Jan Lisiecki, das zeigt diese Sternstunde in der Philharmonie einmal mehr, vermag sich vollkommen in die Stücke einzufühlen, die er spielt – und der hat die technischen Fähigkeiten, seine Erkenntnisse absolut authentisch umzusetzen. Für den großen Jubel und die vielen Bravo-Rufe bedankt er sich nicht mit noch mehr Chopin, sondern mit Schumanns „Träumerei“.

Der "Feuervogel" liegt dem DSO gut

Ein Frühwerk von Igor Strawinsky hat Robin Ticciati für die zweite Konzerthälfte ausgewählt, das 1910 uraufgeführte „Feuervogel“-Ballett. Viel Zeit hat der Hörer zu Beginn in den langen, ereignisarmen Szenen, um auf das eine und andere exquisite Instrumentationsdetail zu achten, bevor dann endlich die Hit-Nummern kommen.

Die aber sind echte Schau-Stücke, weil eben auch viel zu sehen ist, wenn so ein Riesenorchester richtig in Fahrt kommt. Zum schlank-sehnigen Klang des DSO passt der „Feuervogel“ gut, in den Fortissimo-Passagen entfaltet sich blendender Silberglanz.

Die Wiederholung des Konzerts am heutigen Freitag, dem 21. Januar, wird ab 20 Uhr live auf Deutschlandfunk Kultur übertragen.

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