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Magisch. Turrells 200 Quadratmeter große Installation „Aural“.

© Florian Holzherr

James Turrell im Jüdischen Museum: Und es ward Licht

Begegnung mit dem Gott in dir: James Turrells begehbare Lichtinstallation „Aural“ im Jüdischen Museum Berlin.

Wenn ein Raum mit Licht geflutet wird – Blau, Weiß, Rot, Grün strömt aus 13.000 LEDs –, wird mit der Zeit alles ganz still. Als würden die Geräusche vom Licht verschluckt. Es gibt keine Zeit mehr. Sogar die Gedanken schweigen. Und auch die Frage, woher das Licht kommt, stellt sich nach einer Weile nicht mehr. Alles ist Licht. Alles ist Materie. Und gleichzeitig ist alles Nichts. Es ist, als durchschreite man die Pforte zu sich selbst.

James Turrell, 1943 in Los Angeles geboren, gilt als Meister der Illusion, ein Bildhauer, der geometrische Körper, Volumen und Räume mit farbigem Licht modelliert. Seine begehbare Installation „Aural“ im Jüdischen Museum ist eine besondere Erfahrung. Nach dem Besuch der Jerusalem-Ausstellung noch schnell Turrells Installation ansehen – das wird nicht funktionieren. Man braucht Zeit. Die Augen brauchen Zeit. Der Geist muss sich beruhigen. Im „Eintrittsraum“ zieht man die Schuhe aus, steigt dann ein paar Treppen hoch, steuert auf eine weiße Fläche zu, die man betreten kann. Man fühlt sich wie ein Geist, der durch Wände gleitet. Der Raum ist mit weichem, pudrigem Licht ausgeleuchtet. Weiß mischt sich mit Blau und Rot, die Farben wechseln sanft von Lila zu grellem Magenta. Im Farbnebel ertasten die Füße schließlich eine Kante. Dahinter tut sich ein weiterer Raum auf, den das Auge in seinen Dimensionen nicht erfassen kann. Keine Kontur ist wahrnehmbar, alle Kontraste sind aufgelöst. Ein unendlicher Raum.

In Berlin kennt man Turrells Kapelle auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, doch es ist das erste Mal, dass eines seiner legendären „Ganzfeld Pieces“ hier zu sehen ist. Zu verdanken ist das dem Berliner Sammlerehepaar Dieter und Si Rosenkranz. „Wir haben das Geschenk dankbar angenommen“, sagte der Direktor des Jüdischen Museums Peter Schäfer. Das Geschenk hat es in sich: Turrells „Ganzfeld“ beansprucht eine Fläche von 200 Quadratmetern. Es dürfen immer nur sechs Besucher zeitgleich hinein und es wird empfohlen, sich mindestens 45 Minuten darin aufzuhalten. Das Museum ließ für „Aural“ eigens ein temporäres Gebäude im Garten des Hauses aufstellen.

Turrells Werk steht im Kontext der Geschichte des Judentums

Je länger man in Turrells Lichtinstallation steht, desto intensiver wird die Erfahrung. Umspült von Lichtpartikeln und getriggert durch eine Reihe von Stroboskopblitzen, wendet sich der Blick nach innen. Man sei imstande, Teile des eigenen Sehapparats wahrzunehmen, sagen Turrells Lichtingenieure, die die technisch extrem aufwendige Installation nach den Vorgaben des Künstlers umgesetzt haben.

Turrells Lichtarbeit soll hier aber weder physikalisch noch in der Tradition von Farbfeldmalerei und Minimal Art interpretiert werden. Im Jüdischen Museum steht Turrells Werk im Kontext der Geschichte des Judentums. Das Licht ist ein zentrales Symbol im Judentum. Schon im Wüstenheiligtum, vor der Errichtung des Ersten Jerusalemer Tempels, brannte vor der Bundeslade stets ein Licht, das die Gegenwart Gottes symbolisierte. Im Tempel entzündete man die Kerzen auf dem siebenarmigen Leuchter, später ging dieser Brauch auf die Synagoge über, wo Gott im Buch der Tora gegenwärtig ist. Ein Licht brennt nun ständig vor dem Toraschrein.

Eine Phase des Experimentierens für das Jüdische Museum

„Aural“ könnte auch als Interpretation des göttlichen Schöpfungsaktes verstanden werden. In der hebräischen Bibel wird das Licht als der Höhepunkt des ersten Schöpfungstages beschrieben. Gott hat Erde und Wasser erschaffen und alles liegt in Finsternis. Bis zu seinem Ausspruch „Es werde Licht!“. Weder James Turrell noch das Sammlerehepaar Rosenkranz sind jüdisch. Die Idee von einem inneren Licht, das in jedem Menschen glüht und das durch Turrells Werk sichtbar wird, ist ohnehin universell.

Seit Dezember 2017 ist die Dauerausstellung im Jüdischen Museum geschlossen, das Haus arbeitet derzeit an einer neuen Präsentation. „Wir nutzen diese Phase auch als Zeit des Experimentierens“, sagt Programmdirektorin Léontine Meijer-van Mensch. „Wenn James Turrells Lichtraum gut angenommen wird, überlegen wir, ob er dauerhaft ausgestellt wird.“

Jüdisches Museum, bis 30.9., täglich 10–20 Uhr, mit Zeitfensterticket buchbar, 8 Euro/3 Euro, www.jmberlin.de/turrell

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