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Entschlossen. Cristiana Capotondi als Nina in „Nome di donna“.

© Angelo Turetta/ Arsenal Film/ dpa

Italienisches Drama: „Nome di donna“ befürwortet die MeToo-Bewegung

Mit seinem neuen Film unterstützt Marco Tullio Giordana die italienische Variante der MeToo-Bewegung, die Initiative „Dissenso comune“. In irritierender Form.

Die Sonne fällt durchs Blätterdach, der Springbrunnen rauscht. Vor dem Palazzo ragt ein Portikus in die Höhe, Skulpturen verzieren das Dach. Drinnen: Kronleuchter, Marmor, alles ein bisschen zu schön, um wahr zu sein, in diesem Altenheim bei Mailand. Das muss auch Nina (Cristiana Capotondi) erfahren, nachdem sie einige Monate als Pflegerin in der katholischen Einrichtung gearbeitet hat.

Die alleinerziehende Mutter wird eines Abends vom Direktor (Valerio Binasco) einbestellt. „Warum haben Sie sich umgezogen?“, fragt der. „Sie sehen so hübsch aus in Ihrer Uniform.“ Er bietet Wein an, sie lehnt ab. Als er Nina zu bedrängen versucht, kann sie sich aus seiner Umarmung befreien und flieht.

Am nächsten Tag tut ihr Chef, als begegne er ihr zum ersten Mal, gibt ihr aber zu verstehen: Wenn sie seine Zudringlichkeit nicht für sich behält, wird das Konsequenzen haben – auch für ihre Tochter.

Das italienische Drama „Nome di donna“ erzählt eine Geschichte von Abhängigkeit und Machtmissbrauch. Der Direktor bietet Gefälligkeiten gegen körperliche Zuwendung, und Nina muss erkennen, dass sie nicht das einzige Opfer ist.

In kurzen Rückblenden zeigt Regisseur Marco Tullio Giordana immer wieder Pflegerinnen, die an die Tür des Direktors klopfen. „Wenn du nicht willst, macht er nichts“, meint eine Kollegin beschwichtigend, als Nina ihr von dem Vorfall erzählt. Sie entschließt sich, die sexuelle Belästigung öffentlich zu machen, und wendet sich an die Gewerkschaft. Das bringt nicht nur die Heimleitung gegen sie auf, auch ihre Kolleginnen reagieren ablehnend.

Frauen setzten sich zur Wehr

„Nome di donna“ erzählt kein Einzelschicksal, Giordana setzt Ninas Geschichte in den Kontext einer Gesellschaft, in der Männer zu häufig ihre Macht missbrauchen und ungeschoren davonkommen. Viele der Frauen in „Nome di donna“ sind Opfer von Männern geworden: von Lebensgefährten, die sich trotz eines gemeinsamen Kindes aus dem Staub machen, von Vätern, die vergewaltigen.

Doch der Film zeigt auch, wie sich Frauen gegen die Verhältnisse zur Wehr setzen. Das Team der Gewerkschaft, das Nina zum Widerstand drängt, besteht ausschließlich aus Frauen. Vor Gericht wird sie von einer Anwältin vertreten, und selbst der Direktor hat sich weiblichen Rechtsbeistand gesucht.

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Man spürt, dass Giordana um eine differenzierte Darstellung bemüht ist. Immer wieder blitzen Details in den Dialogen auf, die auf die politische Lage im Land schließen lassen.

Einmal schnappt Ninas Tochter in der Schule die Panikmache vor „Fremdlingen“ auf, während die Leitung des Altenheims überlegt, wie sie die Politiker der rechten Lega zufriedenstellen kann. Da das geistliche Oberhaupt der Einrichtung gleichzeitig das Treiben des Direktors deckt, lässt sich der Film auch als Kommentar zum Missbrauch in der katholischen Kirche verstehen.

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Giordana hat sich in den vierzig Jahren seiner Filmkarriere immer wieder mit der Wechselwirkung von Politik und Privatsphäre auseinandergesetzt. In „100 Schritte“ porträtierte er den Aktivisten und Mafiagegner Giuseppe Impastato, dessen Haus nur einhundert Schritte vom Haus eines Cosa-Nostra-Bosses entfernt liegt. Dafür bekam Giordana 2000 den Drehbuchpreis in Venedig.

Drei Jahre später folgte mit „Die besten Jahre“ seine berühmteste Arbeit. Das sechsstündige Epos begleitet eine Familie über 40 Jahre durch die jüngere italienische Geschichte und zeigt, wie große politische Entwicklungen sich im Kleinen spiegeln.

Mit „Nome di donna“ unterstützt Giordana die italienische Variante der MeToo-Bewegung, die Initiative „Dissenso comune“ (gemeinsamer Widerspruch). Doch so wichtig die Geschichte ist, die er und Co-Autorin Cristiana Mainardi erzählen, so irritierend anmutig erscheint die Form, die Giordana wählt.

Die Kamera von Vincenzo Carpineta labt sich an der Schönheit der Natur des italienischen Nordens und schwebt immer wieder um die architektonische Pracht des Altenheims. Was anfangs noch als Sinnbild durchgeht, dass unter der Oberfläche verrottete Strukturen liegen, nähert sich irgendwann gefährlich dem Kitsch.

Dass „Nome di donna“ letztlich noch die Kurve kriegt, ist dem reduzierten Spiel seiner Hauptdarstellerin zu verdanken. Cristiana Capotondi vermittelt den inneren Aufruhr ihrer Figur vor allem durch Blicke. Man meint aus ihrer Mimik die Verletzungen herauszulesen, die Nina erlitten hat, das Entsetzen angesichts der Übergriffe ihres Vorgesetzten. Am Ende ist in ihren Augen vor allem eins zu erkennen: Entschlossenheit, nicht länger das Opfer zu sein.

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