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Eine Szene aus «Irradiated» von Rithy Panh

© Foto: Rithy Panh/Berlinale/dpa

„Irradiés“ auf der Berlinale 2020: Strahlen des Bösen, Licht der Hoffnung

Rithy Panhs „Irradiés“ zeigt verbrannte Haut, verstümmelte Leiber, ausgelöschte Städte. Wird die Kamera zum Ankläger oder zum Voyeur fremden Leids?

Immer wieder will man in diesem Film für Sekunden die Augen schließen. Immer wieder zeigt Rithy Panhs „Irradiés“ („Bestrahlt“) Aufnahmen von den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, zeigt Tote, Sterbende und gerade noch Überlebende in Auschwitz oder Bergen-Belsen.

Es brennen Wälder und Körper im Napalmkrieg in Vietnam oder es schauen einen die Folterhäuser der Roten Khmer und die letzten Fotos der Opfer an. Gespenstern gleich taumeln Soldaten des Ersten Weltkriegs mit Gasmasken über die hier zumeist dreigeteilte Leinwand, dann wieder: verbrannte Haut, verstümmelte Leiber, ausgelöschte Städte, die Haufen abgeschnittener Haare, fallende Bomben oder im schwarzen All glühende, zuckende Himmelskörper.

Ein Universum des Schreckens, eine Symphonie des Grauens, und die von André Wilms und Rebecca Marder französisch gesprochenen Texte treffen aus dem Off ins Herz der Finsternis. „Ungeheuer ist viel. / Doch nichts ist ungeheurer als der Mensch.“

[29.2., 10 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 16.15 Uhr (HdBF), 1.3., 15.15 Uhr (HdBF)]

Auch dieses Zitat aus der „Antigone“, in Hölderlins Übersetzung, könnte eine Botschaft sein, die der filmische Essay des 55-jährigen kambodschanischen Regisseurs und Autors vermittelt. Rithy Panh ist selber, als Kind mit der Familie aus Phnom Penh nach Frankreich geflüchtet, ein Überlebender des Terrorregimes von Pol Pot und den Roten Khmer 1975-79.

Zivilisationsbrüche des 20. Jahrhunderts

Die Dokumentation des in seiner Heimat Geschehenen und die motivische Verbindung mit den übrigen Zivilisationsbrüchen des 20. Jahrhunderts sind Panhs (Über-)Lebensthema. Ein Satz aus „Irradiés“: „Das Böse strahlt aus. Es schmerzt – auch spätere Generationen. Doch jenseits dieses Schmerzes liegt Unschuld.“ Manchmal lässt das mit viel Cello- und Klaviermusik (neben Feuerprasseln und Meeresrauschen) sowie mit Ausschnitten aus Filmen von Alain Resnais oder Szenen zweier geisterweiß geschminkter Butoh-Tänzer versetzte Montagewerk auch nachdenken über die Unschuld der Bilder. Wo wird die Kamera zum Zeugen, wo zum Ankläger, wann zum Voyeur fremden Leids?

Am Ende, wie beim recht rosigen Schluss von Burhan Qurbanis „Berlin Alexanderplatz“, sind Kinder, sind hier junge Blüten die Zeichen der Hoffnung. Panh türmt kleine Steine wie archäologische Funde oder Gaben auf einem imaginären Grab, gesäumt von frischem Bunt und Grün. Auch dieses Bild soll ausstrahlen.

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