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Mohammad Rasoulof 2013 in Cannes, bei der Premiere von "Manuscripts Don't Burn". 2017 war er wieder in Cannes, danach wurde ihm in Teheran der Pass abgenommen.

© dpa/Sebastien Nogier

Iranischer Bären-Gewinner soll ins Gefängnis: Internationale Proteste wegen Haftanordung für Mohammad Rasoulof

Gerade gewann Mohammad Rasoulof auf der Berlinale den Goldenen Bären. Nun soll er im Iran ins Gefängnis. Die internationale Filmwelt protestiert scharf.

Zahlreiche Festivals und Filminstitutionen haben gegen die drohende Inhaftierung des iranischen Filmemachers Mohammad Rasoulof protestiert. Der Regisseur hatte am 29. Februar mit seinem jüngsten Film "There is No Evil" auf der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen. Am 4. März erhielt er per SMS die Aufforderung vom zuständigen Richter, seine einjährige Haftstrafe anzutreten, zu der er im Sommer 2019 wegen angeblicher "Propaganda gegen den islamischen Staat" verurteilt worden war.

Die Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian zeigten sich "sehr besorgt über die Haftanordnung" und äußerten ihre Hoffnung, dass die Behörden das Urteil revidieren. Auch das Filmfest Cannes protestierte, auf dem Rasoulofs vorherige Filme Premiere gefeiert hatten, ebenso die Europäische Filmakademie, die Deutsche Filmakademie, die Filmfestivals von Rotterdam und Hamburg, das Dokumentarfilmfest Amsterdam sowie Förderinstitutionen wie die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein oder der Netherlands Film Fund.

"Wir protestieren nachdrücklich gegen die Vorladung von Mohammad Rasoulof und fordern die iranischen Behörden dringend auf, seine Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten," schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung. "Wir fordern auch, dass die Anklage gegen ihn zurückgezogen und das gegen ihn verhängte Reiseverbot unverzüglich und bedingungslos aufgehoben wird." Die Sorge um die Gesundheit des 58-Jährigen rührt auch daher, dass im Iran und auch in den dortigen Gefängnissen das Coronavirus grassiert. Nach Angaben der dortigen Justiz wurden deshalb jetzt etwa 70000 Gefangene freigelassen, weitere sollen folgen. Rasoulofs Anwalt hatte seinem Mandaten wegen des Virus schon vergangene Woche geraten, der Aufforderung des Richters nicht nachzukommen.

Rasoulof selbst, der wegen seines Reiseverbots auch nicht zur Berlinale kommen konnte, meldete sich aus Teheran zu Wort. "Die Einberufung zur Verbüßung meiner Haftstrafe offenbart nur einen kleinen Teil der Intoleranz und Wut, die für die Reaktion des iranischen Regimes auf Kritik charakteristisch sind. Viele Kulturschaffende sind im Gefängnis, weil sie die Regierung kritisiert haben. Die weit verbreitete und unkontrollierte Ausbreitung des Covid-19-Virus in iranischen Gefängnissen gefährdet ernsthaft ihr Leben. Dies erfordert eine sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft."

Berlinale: "Rasoulof wird für seine künstlerische Arbeit bestraft"

Das Berlinale-Leitungsduo Rissenbeek und Chatrian sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Haftstrafe und Rasoulofs Werk: "Es ist erschütternd, dass ein Regisseur so hart für seine künstlerische Arbeit bestraft wird." Der preisgekrönte Film "There is No Evil" erzählt in vier Episoden von iranischen Soldaten, die die Todesstrafe exekutieren müssen und sich diesem Dienst verweigern; es geht um das Leben unter einer autoritären Herrschaft. Alle am Film Beteiligten hätten "sich entschieden, die Verhältnisse nicht länger zu akzeptieren und Nein zu sagen", sagte der Regisseur während der Berlinale im Skype-Interview mit dem Tagesspiegel. Die Figuren im Film "sagen Nein zu einem Befehl, zu etwas, was sie moralisch nicht vertreten können. Auch unser Film ist ein Statement gegen die Zensur."

Der Filmemacher Wim Wenders, Präsident der Europäischen Filmakademie, und der Schauspieler Ulrich Matthes, Präsident der Deutschen Filmakademie, betonen die besondere Humanität von Rasoulofs Filmen.

Baran Rasoulof spricht via Skype mit ihrem Vater, dem Regisseur Mohammad Rasoulof, der gerade den Goldenen Bären für "There is No Evil" gewonnen hat.
Baran Rasoulof spricht via Skype mit ihrem Vater, dem Regisseur Mohammad Rasoulof, der gerade den Goldenen Bären für "There is No Evil" gewonnen hat.

© Gregor Fischer/dpa

Rasoulof sei ein Künstler, "der uns immer wieder von einer Realität erzählt, von der wir sonst nur wenig wissen," so Wenders. "Wir brauchen Stimmen wie die von Mohammad Rasoulof", schreiben beide, Stimmen, die die Menschenrechte, die Freiheit und die Würde verteidigen und die ohne Angst vor Sanktionen erhoben werden. Matthes nennt Rasoulof einen herausragenden Künstler und einen Meister des iranischen Kinos, einer "reichen Filmkultur, der wir einige der fesselndsten Geschichten über die condition humaine verdanken".

Mohammad Rasoulof war wie sein Kollege Jafar Panahi 2010 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die er jedoch nicht antreten musste. Als er 2017 vom Filmfestival Cannes in seine Heimat zurückkehrte, wurde ihm am Flughafen der Pass abgenommen. Seitdem kann er nicht reisen, obwohl er inzwischen auch einen Wohnsitz in Hamburg hat. Dort lebt seine Tochter, die in "There is No Evil" mitspielt und den Goldenen Bären für ihren Vater entgegen genommen hat. chp

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