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Angela Denoke im Glashof des Jüdischen Museums

© MUTESOUVENIR/Kai Bienert

Intonations im Jüdischen Museum: Mit vollen Segeln in den Untergang

Das Intonations-Festival im Jüdischen Museum widmet sich mit einem Abend der Kammermusik aus der Zwischenkriegszeit.

Was leben wir in künstlerisch beschaulichen Zeiten. Alles ist erlaubt in der so-genannten ernsten Musik, jeder Komponist zimmert sich sein privates Theoriegebäude und muss sich vor niemandem dafür rechtfertigen. Vor 100 Jahren dagegen gab es noch die Gewissensfrage: Wie hältst du’s mit der Tonalität? Schlägst du dich auf die Seite von Schönberg und seinen Zwölftönern oder klammerst du dich an den traditionellen Tonsatz?

Erich Wolfgang Korngold, das 1897 geborene Wiener Wunderkind, scheint in seinen dekadent-opulenten Opern wie „Die tote Stadt“ fest im Gestern verankert. Und doch spürte auch er, dass das vertraute System kurz vor der Implosion stand. So jedenfalls deuten Mihaela Martin, Mohamed Hiber, Adrien La Marca, Jing Zhao und Plamena Mongova am Montag beim Intonations-Festival im Jüdischen Museum Korngolds Anfang der 1920er Jahre entstandenes Klavierquintett. Überreizte Nerven, Herzrhythmusstörungen, Orientierungslosigkeit assoziiert der Hörer. Fadenscheinig wirkt diese wollüstige Schwelgerei, durchzogen von dissonanten Störgeräuschen. Und man fragt sich: Was kann nach diesem maßlosen Kopfsatz noch kommen?

Expressionistische Klangteppiche

Der Versuch eines allerletzten Tagtraums im Elfenbeinturm, begleitet von bitteren Seufzern – und ein Finale, in dem der Komponist sich noch einmal zusammenreißen will, indem die Instrumente sich überschwänglich verströmen, ohne verhindern zu können, dass alles auseinanderdriftet. Anstrengend ist das zum Zuhören, aber auch aufregend: weil das Publikum die Fiebrigkeit der Zeit ganz konkret, körperlich nachvollziehen kann.

Aus derselben Umbruchszeit zwischen den Weltkriegen stammen auch die Schlager und Chansons, die Angela Denoke für ihren „Tanz auf dem Vulkan“-Zyklus zusammengestellt hat. Raffiniert sind die Arrangements, die der jazzerprobte Klarinettist Norbert Nagel, Tim Park am Cello und Tal Bashai am Flügel beisteuern, ein expressionistisch gemusterter Klangteppich, über den die Sopranistin souverän schreitet, von Weills „Berlin im Licht“ über Kollos „Untern Linden“ und die Homosexuellen-Hymne „Lila Lied“ bis zu Heymanns „Irgendwo auf der Welt“. Dabei braucht sie keine Federboa, um verrucht zu wirken, und keine Kommunistenkappe für die sozialkritischen Töne. Weil sie ihre Interpretationen ganz aus dem Inneren der Texte heraus entwickelt, mit intellektuellem Durchblick und feinem Gespür für die Seelenlagen der lyrischen Ichs.

Begonnen hatte der Abend mit Ernst von Dohnanyis bewusst an die mendelssohnsche Märchenromantik anknüpfendem Streichtrio von 1903, das Clara-Jumi Kang, Adrien La Marca und Jing Zhao wunderbar feingliedrig spielen. Geisterhaft huscht das Scherzo vorbei, alle drei beeindrucken mit sensiblen Piano-Schattierungen. Vorwiegend klassisch geprägt sind die verbleibenden „Intonations“-Abende, mit Mozart im Fokus am heutigen Mittwoch sowie Mendelssohn zum Abschluss am Donnerstag (weitere Infos: www.jmberlin.de).

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