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 Donald Trump

© AFP

Interview mit US-Journalist Michael Wolff: „Trump wird sich selbst zerstören“

Michael Wolff hat ein neues Enthüllungsbuch über den amerikanischen Präsidenten geschrieben. Ein Gespräch über Trumps Schauspieltalent und dessen Hass auf Merkel

Herr Wolff, Sie beobachten Donald Trump seit vielen Jahren. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu ihm beschreiben?

Professionell – wie ein Reporter, der über ein totales Fiasko berichten muss. Ich befinde mich am Schauplatz einer Katastrophe. Als Reporter spüre ich dabei eine gewisse Dankbarkeit, so was aus unmittelbarer Nähe erleben zu dürfen. Aber es ist und bleibt eine Katastrophe.

Wie konnte die geschehen?
Sie ist das Ergebnis eines perfekt inszenierten Sturms. Trump gewann, weil Hillary Clinton eine so schwache Gegnerin war. Am wichtigsten aber war, dass Steve Bannon den Wahlkampf organisierte.

Ohne Bannon kein Trump?

Genau. Bannon hat Trump zum Sieg verholfen. Er hatte ein extrem gutes Gespür dafür, wie man Botschaften unters Volk bringt. Bannon war präzise und diszipliniert, und es gelang ihm, Trump zu disziplinieren. Als es nach dessen Wahl hieß, Bannon sei unverzichtbar für den Einzug ins Weiße Haus gewesen, wurde Trump wütend und überwarf sich mit Bannon. Das verletzte seine Eitelkeit, das konnte er nicht dulden.

Bannon war die Hauptquelle Ihres ersten Buches über Trump und er ist auch die Hauptquelle Ihres neuen Buches. Kann es ein Comeback des „Einflüsterers“ geben?
Zumindest reden beide drüber. Ich glaube jedoch, dass ihr Verhältnis zu zerrüttet dafür ist, zu dysfunktional. Es wäre eine notwendige Ehe, aber eine schreckliche.

Trumps Ende?

Nun naht das Ende des Präsidenten – sagen Sie jedenfalls. Warum?

Ein Wettlauf: Werden die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen diesen Psychopathen in die Wege leiten oder wird er schlicht die nächste Wahl verlieren? Es gibt kein glaubhaftes Szenario, aufgrund dessen er Präsident bleiben wird.

Er kann vor seine Anhänger treten und sagen: Ich habe alle meine Versprechen gehalten, die Steuersenkungen, den Austritt aus dem Klima- und dem Atomabkommen mit dem Iran, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Ernennung konservativer Richter am Verfassungsgericht ...

Trump hat es trotz dieser Maßnahmen nie geschafft, in den Umfragen über 42, 43 Prozent Zustimmung zu kommen. Seine Werte sind konstant sehr niedrig. Er konnte die Präsidentschaft nicht nutzen, um seine Wählerbasis zu vergrößern.

Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit ist gering.

Das sind doch alles Argumente gegen, nicht für Trump. Obwohl die Wirtschaft floriert und die Zahl der Arbeitslosen klein ist, kommt dieser Präsident nicht auf eine Mehrheit! Außerdem hat er niemanden mehr, der ihm den Wahlkampf organisiert. Ich bin sicher, dass sich Trump am Ende selbst zerstören wird.

Die Mischung aus Wut und Angst, die Trump in seinen Reden verbreitet, scheint dennoch sehr attraktiv zu sein. Wie erklären Sie sich das?

Man sollte die Wirkung nicht überschätzen. Trump ist in der Lage, eine Minderheit zu erreichen, die sich ihm leidenschaftlich hingibt. Er versteht es , sich als Outsider zu inszenieren und in dieser Rolle andere in seinen Bann zu ziehen, die sich auch als Outsider empfinden. Sein Problem: Die allermeisten Amerikaner tun das nicht.

Im Unterschied zur etablierten politischen Klasse wirkt Trump authentisch. Er verstellt sich nicht, spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das kommt gut an, oder?

Die Sache mit der Authentizität ist kompliziert. Auf der einen Seite muss man feststellen: Trump lügt, vorsätzlich, ohne Bedauern und ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Gleichzeitig heißt es, er sei ach so authentisch dabei. Trump ist ein Schauspieler, seine einzige wirkliche Begabung. Er hat „The Apprentice“ 14 Staffeln lang gespielt und dabei viel gelernt. Er kann leicht in Rollen schlüpfen, in denen er dann authentisch wirkt. Versteht er den Unterschied zwischen Rolle und Realität? Nein.

US-Journalist Michael Wolff auf Lesereise durch Deutschland.
US-Journalist Michael Wolff auf Lesereise durch Deutschland.

© Ingo Salmen

Kriege überfordern ihn intellektuell

Ist er berechenbar?

Absolut! Er macht alles immer auf dieselbe Weise.

Im Iran-Konflikt befahl er erst einen Militärschlag und zog ihn dann zurück.

So macht er es immer! Mit dem Iran, mit Nordkorea, im Zollstreit. Er ist intellektuell gar nicht in der Lage, einen Krieg zu führen. Moderne Kriegsführung ist unglaublich komplex. Man muss Daten kennen, Zusammenhänge verstehen, hunderte Powerpoint-Präsentationen gesehen haben. Kriege sind intellektuell eine sehr große Herausforderung. Trump, der Oberkommandierende, hat weder die Geduld noch die Fähigkeit dafür. Er will keine Verantwortung übernehmen, keine Probleme geistig durchdringen. Nach drei Minuten Powerpoint-Präsentation verlässt er den Raum.

Scheut er auch das Risiko?

Es geht immer nur um ihn. Er ist ein Selbstdarsteller. Die einzige Frage, die ihn bei Entscheidungen interessiert, lautet: Wie lassen sie mich wirken?

Eine Katastrophe aus Versehen

Auf wen hört er?

Wenn überhaupt auf jemanden, dann allenfalls auf seine Tochter Ivanka und seinen Schwiegersohn Jared Kushner. Das sind die Einzigen, die seine Launen ertragen. Doch selbst auf die hört er weniger, als jemals ein US-Präsident auf seine Berater gehört hat. Vor allem vertraut Trump sich selbst. Er liest nicht, hört nicht zu, seine Informationen bezieht er von CNN und FoxNews.

Mag er sein Amt überhaupt?

Ich glaube schon. Warum auch nicht? Wenn er sein Kabinett trifft, beteuern alle Anwesenden, die Größten und Besten zu sein. Ansonsten sitzt er vorm Fernseher und sendet Botschaften über Twitter ab. Das ist für ihn eine Art Eins-zu-eins-Kommunikation. Trump lebt im Hier und Jetzt. Was ihm einfällt, spricht er ungefiltert aus. Welche Bedeutung das hat oder welche Folgen, interessiert ihn nicht.

Kann er gefährlich werden?

Wie könnte er nicht gefährlich sein? Trump ist wie ein Kind – und gleichzeitig ein Verrückter. Wahrscheinlich beabsichtigt er nichts Gefährliches, weil er dafür eine Strategie haben müsste. Viel eher wird er aus Versehen, aus Dummheit eine Katastrophe heraufbeschwören.

Zynische Evangelikale

Ist er eigentlich gläubig?

In welchem Sinne? Dass er an einen Gott glaubt? Ganz und gar nicht. Er ist ein Atheist und Blasphemiker, der nur aus Show, seit er Präsident ist, ab und zu einen Gottesdienst besucht.

Warum halten dann weiße Evangelikale derart treu zu ihm?

Das ist die Frage aller Fragen. Die einzige mögliche Antwort: weil sie extrem zynisch sind. Sie halten zu jedem, der schwört, ihre Agenda zu befolgen. Es schert sie nicht, dass Trumps Leben von Prostitution, Betrug und Lügen geprägt war. Sein Charakter ist ihnen egal. Alles, was sie interessiert, sind Politik und Macht. Und konservative Verfassungsrichter, die über Abtreibung und das Recht auf Waffenbesitz befinden.

Lassen Sie uns über Trumps Verhältnis zu anderen Staatschefs sprechen. Betrachtet er Wladimir Putin als Freund oder Feind?

Als Freund natürlich. Er lobt ihn bei jeder Gelegenheit. Aus rätselhaften Gründen. Putin hat ihn im Wahlkampf in große Verlegenheit gebracht, das Ergebnis sind die brisanten Informationen des Berichts von Sonderermittler Robert Mueller.

Rechtfertigen sie ein Amtsenthebungsverfahren?

Die Demokraten im Repräsentantenhaus könnten so ein Verfahren in die Wege leiten. Was ihnen fehlt, ist die „smoking gun“, die noch rauchende Pistole.

Trump verhöhnt Merkel

Gibt es eine „smoking gun“?

Vielleicht gibt es nicht nur eine, sondern mehrere, das macht die Sache kompliziert. Das Team um Mueller hatte offenbar etwas Angst vor dem Mann mit dem Sprengstoffgürtel im Weißen Haus, der für den Fall der Fälle zu einer Verfassungskrise bereit war. Deshalb verzichteten sie auf eine direkte Konfrontation.

Was hält Trump von Angela Merkel?

Ich glaube, von allen Staats- und Regierungschefs der Welt ist Merkel diejenige, die Trump am meisten verachtet.

Mehr als Xi Jinping und Recep Tayyip Erdogan?

Aber ja. Autoritäre Herrscher mag er. Siehe nur Saudi-Arabien. Merkel ist anders. Sie ist eine Frau, lange im politischen Geschäft, sie schmiert ihm keinen Honig um den Mund, kennt sich aus, ist informiert, hält Verträge ein, nimmt das Internationale Recht ernst. Merkel ist alles, was Trump nicht ist. Das spürt er genau. Deshalb verhöhnt er sie.

Das Bild vom Rio Grande

Das Bild von zwei Flüchtlingen, Vater und Tochter, die im Grenzfluss Rio Grande ertranken, erschüttert Amerika und die Welt. Welchen Einfluss wird es auf die Politik von Trump haben, den seine Gegner als „deporter in chief“ kritisieren?

Trump ist nicht mitfühlend oder mitleidend. Solche Regungen kennt er nicht. Deshalb wird dieses Bild gar keinen Einfluss auf seine Politik haben. In seinen Reden wird er andere verantwortlich machen, die Demokraten, die Regierungen in Lateinamerika.

Wenn Sie recht haben und Trump die nächste Wahl verliert: Wie wird sich Amerika an diese Präsidentschaft erinnern?

Als Ausnahme. Was von Trump bleibt, ist die Erinnerung an seinen Charakter, nicht an seine Politik. Noch in 100 Jahren wird man darüber reden, wie ein solch amoralischer Mensch Präsident werden konnte. Das bleibt als Mahnung. Nur das.

Michael Wolff, 65, ist ein US-amerikanischer Journalist und Essayist. Er schreibt unter anderem für „USA Today“ und „The Hollywood Reporter“. Sein Enthüllungsbuch „Fire and Fury: Inside the Trump White House“ wurde 2018 zum Bestseller und erschien bei Rowohlt unter dem Titel „Feuer und Zorn“. Unter anderem geht es darin um die Rolle Steve Bannons und die Nähe Trumps zum Kreml.
Dafür hatte Wolff im West Wing des Weißen Hauses recherchiert und sich gegenüber in einem Hotel einquartiert. Trumps Anwälte übermittelten Wolff nach Erscheinen des Buchs eine Unterlassungserklärung.

Nun hat Wolff eine Fortsetzung seines Insiderberichts vorgelegt. „Unter Beschuss. Trumps Kampf im Weißen Haus“ ist gerade bei Rowohlt erschienen. Wolff wuchs in einer jüdischen Familie in New York auf, studierte an der Columbia University und hat vier Kinder. Das Gespräch fand in einem Hotel während seiner Lesereise durch Deutschland statt.

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