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Der Regisseur Roland Emmerich.

© Bernd Weissbrod/dpa

Interview mit Roland Emmerich: „Das Kino gibt es noch zehn, 20 Jahre“

Er wurde mit Filmen wie „Independence Day“, „Godzilla“, und „2012“ bekannt: Regisseur Roland Emmerich über Gagen, Streaming und Machtkämpfe des Marktes.

Herr Emmerich, der Dreh für „Moonfall“ fand unter Corona-Bedingungen statt. Wie hat das Ihre Arbeit beeinflusst?
Laufend wurde das Team getestet. Ich durfte nie näher als zwei Meter an meine Schauspieler herankommen. Wir haben morgens in einem Kreis gestanden, Maske und Gesichtsschutz getragen, eine Szene durchgesprochen und sind anschließend ans Set gegangen, um zu drehen. Wenn ich allein vor dem Monitor saß, drumherum lauter Plexiglaswände, konnte ich mein Face-Shield ablegen. Sonst hätte ich gar nicht richtig den Bildschirm sehen können, das reflektierte viel zu sehr.

Mit der Welt blieben Sie die ganze Zeit über Videocalls in Kontakt?
Ich habe sogar einmal Regie per Video geführt. Wir mussten eine Szene nachdrehen, ich saß in Amerika fest, der Kinderdarsteller drehte bereits wieder in Vancouver, da haben wir uns entschieden, einen halben Tag am Bildschirm einzuplanen. Das war ganz schlimm. Ich bin ein extrem ungeduldiger Mensch, alles geht mir zu langsam. Deswegen renne ich normalerweise konstant am Set herum.

Der österreichische Filmemacher Michael Haneke hat mal einen Schauspieler angefahren, als der meinte, diese Aufnahme sei jetzt gut gewesen: „Wie kommt ein Schauspieler dazu, mir sagen zu wollen, welcher Take der beste ist?“ Wie reagieren Sie auf Kommentare von Schauspielern?
Freundlich. Really? You think, that was your best? Lass uns noch einen probieren. Passiert oft. Die Schauspieler wollen mir natürlich sagen, wo sie sich am besten in der Rolle gefühlt haben. Ich nehme das zur Kenntnis.

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Sie haben noch nie jemanden am Set zusammengestaucht?
Nein, ich bin manchmal sehr verletzend geworden. Es überkam mich eine Kälte und Ruhe in solchen Situationen. Als ich zum Beispiel „10 000 BC“ gedreht habe, hatte ich eine sehr talentierte Kostümdesignerin. Sie hat halt nur Kleider entworfen, in denen du nicht aufs Klo gehen konntest. Das hat eine halbe Stunde gedauert, die auszuziehen. Eine alte Schauspielerin aus England hat deshalb kein Wasser getrunken, um bloß nicht auf Toilette zu müssen, und ist plötzlich am Set umgefallen. Die Kostümdesignerin habe ich entlassen. Du hast meine Schauspieler in Gefahr gebracht, habe ich gesagt, du kannst hier nicht mehr arbeiten.

Im Moment gilt laut „Forbes“ Dwayne Johnson mit 90 Millionen US-Dollar pro Jahr als der bestverdienende Schauspieler. Würden Sie ihn besetzen?
Ich finde, solche Gagen sind nicht nötig. Halle Berry und Patrick Wilson kriegen schon ihr Geld, ich will da keine Zahlen nennen. Halle Berry bekommt etwas mehr, ich glaube eine halbe Million, weil sie sich eine zweite Karriere hinter der Kamera aufgebaut hat.

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Gibt es nach der Pandemie überhaupt noch exorbitante Forderungen ?
Oh ja, wegen Netflix und Amazon. Für die ist es fast ein Klacks, 200 Millionen pro Film auszugeben. Ein Streamer wie Netflix weiß, er hat soundso viele Abonnenten, die bringen Milliarden Dollar ein, für die ist so ein Betrag nichts.

Im Herbst kündigte Netflix an, Daniel Craig 100 Millionen Dollar für zwei Filme zu zahlen. Regisseure wie Martin Scorsese oder Alfonso Cuaron drehen für den Streamer. Wäre das für Sie attraktiv?
Ich will mein eigenes Ding machen. Die Sachen, die ich produziere, sollen mir gehören. Und das geht bei einem Netflix-Vertrag nicht.

Gab es bereits Anfragen von Streamern?
Ja. Meist war ich beschäftigt. Oder es hat mich nicht interessiert. Ich will keine Franchises mit Superheroes drehen. Und es gibt fast nichts anderes im Moment.

Können sie die Welt retten? Halle Berry und Patrick Wilson in Roland Emmerichs jüngster Zerstörungsorgie „Moonfall“.
Können sie die Welt retten? Halle Berry und Patrick Wilson in Roland Emmerichs jüngster Zerstörungsorgie „Moonfall“.

© Leonine

Sie haben mehrmals das Superhelden-Genre kritisiert. Die Effekte brächten Sie durcheinander.
Ich habe Angst, dass es in Zukunft weniger Kinos geben wird, nur noch große Säle – in denen sich Marvel und DC abwechseln, während kleine interessante Filme bei den Streamern landen. Zum Beispiel „Being the Ricardos“ oder „The Power of the Dog“.

Beide haben bei den Golden Globes gewonnen und gelten als Oscar-Kandidaten.
Die Streamer lassen sie eine Woche in den Kinos starten, damit sie sich für die Oscars qualifizieren. Danach laufen sie sofort auf Netflix oder Amazon.

In den 90ern waren Oscar-Gewinner oft Publikumserfolge: „Der englische Patient“, „Braveheart“. Zuletzt gewannen ihn kleine Filme wie „Moonlight“ und „Nomadland“.
Das waren die guten alten Zeiten, als Blockbuster noch Preise gewonnen haben. Heutzutage sind Kassenerfolge fast ausschließlich Sequels oder Remakes. Dadurch ist ein Vakuum entstanden, das von den kleineren und originellen Filmen gefüllt wird. Unsere Industrie durchläuft gewaltige Veränderungen. Ob das gut fürs Kino ist, weiß ich nicht.

Amazon hat sich vergangenes Jahr für 8,45 Milliarden Dollar das traditionsreiche Studio MGM geschnappt. Wirkt sich das auf Hollywoods Machtgefüge aus?
Die haben es wegen der Library gekauft. MGM hat die größte Filmsammlung von allen Studios, dafür bezahlen die. Momentan dreht Amazon eine Serie aus dem „Lord of the Rings“-Kosmos. Die geben Geld aus, als gäbe es kein Morgen. Und sie können sich das erlauben, sie haben eine Megastruktur, um das zu vermarkten. Ich glaube, eines Tages wird Amazon Prime auch Netflix schlucken. Das wird der Machtkampf der Zukunft sein.

Filme werden also trotzdem weiterhin gedreht, selbst wenn die Kinos sterben?
Die Streamer fangen das auf. Deshalb sind viele Schauspieler oder Regisseure während der Pandemie nicht arbeitslos geworden. Ich glaube, das Kino als magischen Ort wird es noch zehn oder 20 Jahre geben, danach hat jeder ein eigenes zu Hause und guckt sich dort an, was ihn interessiert. Die Bildschirme werden immer größer, meiner daheim hat auch 90 Zoll, mehr als zwei Meter in der Diagonale.

Als in den Monaten des Lockdowns die Kinos geschlossen blieben, hat Ihnen das ein bisschen Zukunftsangst gemacht?
Mit 66? Come on. Ich kann doch in den vorzeitigen Ruhestand gehen..

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