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Keine Angst vor Robotern. Am Anfang steht immer der Mensch, der die Maschine programmiert.

© picture alliance/dpa/A. Heimken

Interview mit Alt-Bischof Wolfgang Huber: „Der Mensch bleibt verantwortlich“

KI und Glauben: Der evangelische Theologe Wolfgang Huber hat ein Buch über die Ethik der Digitalisierung und die Chancen wie die Gefahren der künstlichen Intelligenz geschrieben.

Er war Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berliner Bischof, Mitglied im Nationalen Ethikrat und Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Und bis heute ist er eine der wichtigsten Stimmen des deutschen Protestantismus: Wolfgang Huber. Nun hat sich der Theologe, der im August 80 Jahre alt wird, zur Digitalisierung geäußert. In seinem Buch „Menschen, Götter und Maschinen: Eine Ethik der Digitalisierung“ (Verlag C.H.Beck, 207 S., 18 €) warnt er vor den Risiken einer zu blauäugigen Digitalisierung.

Herr Huber, warum setzen Sie sich in Ihrem Buch vor allem mit den Gefahren der Digitalisierung auseinander?

Ich bin überzeugt davon, dass die Digitalisierung eine technische und technologische Innovation ist, die man akzeptieren, mit der man umgehen und die man weiterentwickeln muss. Wenn ich die Risiken thematisiere, tue ich das auf der Basis, dass ich weder Euphorie noch Apokalyptik für die richtige Umgangsweise damit halte, sondern etwas, was man vielleicht als „pragmatische Verantwortungsethik“ bezeichnen kann.

Sie warnen davor, dass die Maschinen oder die künstliche Intelligenz irgendwann die Kontrolle über den Menschen gewinnen könnten.

Weil der Mensch diese Kontrolle bereits preisgibt. Das fängt bei der Wortwahl an: „Künstliche Intelligenz“ halte ich für eine ganz unglückliche Begriffsprägung. Sie stammt aus der Mitte der 1950er Jahre. Aber sie wird dadurch nicht besser. Man denkt immer gleich, diese künstliche Intelligenz sei eine Alternative zur natürlichen Intelligenz des Menschen. Aber die menschliche Intelligenz ist verkörperte Intelligenz, etwas vollkommen anderes als die Intelligenz einer Maschine oder eines Geräts.

Was bedeutet denn Verantwortung in dem Zusammenhang?

Verantwortung im neuzeitlichen Sinn setzt voraus, dass der Mensch für sich Autonomie in Anspruch nimmt. Das heißt: Er hat selber zu verantworten, nach welchen Regeln er sein Leben gestaltet und er die Instrumente nutzt, die er dabei zu Hilfe nimmt. Diese Autonomie des Menschen ist auch für ein christliches Verständnis ein unentbehrliches Grundelement, denn wir sind davon überzeugt, dass der Mensch mit Würde begabt ist. Deswegen muss er diese Würde bei anderen achten, aber auch für sich selbst zur Grundlage seines Handelns nehmen. Es ist einer der großen Irrwege der gegenwärtigen Debatte, den Begriff der Autonomie auf digitale Instrumente zu übertragen und von autonomen Autos oder, was ich noch schlimmer finde, von autonomen Waffen zu sprechen.

Trotzdem könnte die Entwicklung dahin gehen, dass Computer Waffen oder Autos steuern, ohne dass der Mensch noch eingreifen kann.

Erstens muss man überprüfen, ob dieser Ausschluss des Eingreifens des am Ende doch verantwortlichen Menschen wirklich der richtige Weg ist. Zweitens sind die Regeln, nach denen ein solches Fahrzeug automatisiert bestimmte Aktivitäten vornimmt, von Menschen vorgegeben, die zu verantworten haben, wie dieses Auto agiert. Es kann keine Abgabe der Verantwortung vom Menschen auf das Gerät geben.

Eine Möglichkeit, die Sie ansprechen, ist diejenige, Programme und Systeme zu unterbrechen.

Nur wenn es eine solche Unterbrechung gibt, können Menschen verhindern, dass Automatismen einfach weiterlaufen, obwohl sie gar nicht intendiert und unter Umständen gar nicht verantwortbar sind.

Wir erleben in Deutschland gerade die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Was vor der Pandemie noch relativ klein begann, wird jetzt immer bedeutender. Eine Chance oder ein Risiko?

Man darf weder blauäugig mit den Chancen der Digitalisierung umgehen, noch mit großen Dreiecksaugen nur auf die Risiken starren. Durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens sind weitere Präzisierungen in der Diagnostik möglich – und ebenso noch gezieltere, präzisere Wege zur geeigneten Therapie. Davon muss man aber einen Gebrauch machen, bei dem die Grundsätze der Medizinethik geachtet bleiben. Zu ihnen gehört die Selbstbestimmung des Patienten genauso wie die Verantwortung des Arztes.

Könnte zum Beispiel ein Computer eine Patientenverfügung ersetzen?

Nein. Das ist unvereinbar mit der Patientenautonomie. Je weiter die medizinischen Möglichkeiten reichen, desto wichtiger ist es, Unterbrechungen im Prozess einzubauen, damit der Patient sich damit auseinandersetzen und weiterhin für sein eigenes Schicksal verantwortlich sein kann.

Wenn die Bedeutung von digitaler Intelligenz immer weiter zunimmt und der Mensch immer weiter schöpferisch tätig ist, welche Rolle spielt für die Gläubigen dann am Ende noch Gott?

Für Menschen, die sich darum bemühen, die menschliche Intelligenz von der digitalen Intelligenz weiterhin zu unterscheiden, ist es sehr wichtig, sich klar zu machen, dass sie nicht selbst ein Apparat sind. Sie sind ein lebendiges körperliches Wesen, das in Beziehungen lebt: In Beziehungen zu sich selbst, zu Anderen, zur Welt und für Gläubige auch zu Gott. In der Beziehung zu Gott bündelt sich dann insbesondere die Erfahrung, dass ihnen das Leben als Geschenk anvertraut ist und wir zur Freiheit berufen sind. Das wird nicht außer Kraft gesetzt, weil die Möglichkeiten digitaler Instrumente wachsen. Das Besondere am Menschen bleibt es, sein Leben als ein Leben in Beziehungen zu verstehen und seine Verantwortung in diesen Beziehungen wahrzunehmen.

Wie sind Ihre persönlichen Konsequenzen? Wie nutzt ein Wolfgang Huber das Internet?

Er nutzt das, was er in bestimmten Arbeits- oder Interessenzusammenhängen braucht und für richtig hält. Er wertet auch aus, ob das Internet seinen Tag in einer Weise beherrscht, in der er seine eigene Zeitsouveränität verliert. Zugleich profitiert er davon, dass viele Zusammenhänge und viele Kommunikationen ihm weitaus leichter zugänglich sind, als das früher der Fall war.

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe.

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