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Robert Beyer und Ingo Hülsmann

© Dorothea Tuch

Ingo Hülsmanns Regie an der Schaubühne: Der Kaiser, der Zwerg und sein Dackel

Die Geschichte „Karl und das 20. Jahrhundert“ hat Regisseur Ingo Hülsmann nun als "szenische Einrichtung" auf die Studiobühne der Schaubühne gebracht.

Da steht er also wieder, der sogenannte kleine Mann, und kämpft auf verlorenem (Bühnen-)Posten. Gegen den gnadenlosen Zynismus von Politik und Wirtschaft. Und – dies vor allem – gegen den ihrer berüchtigten Repräsentanten. Karl Lakner, der Protagonist aus Rudolf Brunngrabers 1933 erschienenem Roman „Karl und das zwanzigste Jahrhundert“, will eigentlich Lehrer werden. Dann kommt der Erste Weltkrieg. Karl steht vor Angst im Schützengraben völlig neben sich, fantasiert wirr und muss sich von seinem Hauptmann mit Schnaps in die Zurechnungsfähigkeit zurückholen lassen. Aber am Ende wird er sagen: „Der Krieg war die schönste Zeit. Da hat man mich gebraucht.“ Und sich danach vor einen Zug werfen.

Die Geschichte von Karl Lakner, einem Typus, den wir auch von Autoren wie Hans Fallada kennen und im Theater gerade recht häufig antreffen, hat Ingo Hülsmann nun als „szenische Einrichtung“ auf die Studiobühne der Schaubühne gebracht. Von Haus aus Schauspieler – zwischen 2001 und 2012 am Deutschen Theater und seither am Lehniner Platz – hatte sich Hülsmann vor sieben Jahren bereits am DT als Regisseur ausprobiert. Mit Sergi Belbels Handy-Komödie „Mobil“.

Da ist „Karl und das zwanzigste Jahrhundert“, mit dem dem Österreicher Brunngraber der internationale Durchbruch gelang, ein anderes Kaliber. Die Besonderheit des Buches: Karls individuelle Geschichte wird mit den globalen historischen und ökonomischen Fakten der Jahre 1880 bis 1931 gegengeschnitten. Der Autor zeigt den Lebenslauf des kleinen Mannes ganz konkret als (wirtschafts-)historisches Produkt.

Hülsmann – zugleich Regisseur und Urheber der Spielfassung – macht daraus eine Art Geschichtsfarce mit den (theater-)üblichen ultrazynischen Strippenziehern. Iris Becher torkelt als Stalin mit blutigem Gesicht und feschem lila Satinjäckchen übers Szenario, das neben einer großen Leinwand lediglich eine kleine Bar vorsieht (Bühne: Michael Hülsmann und Stepan Udeing). Sebastian Schwarz kippt als Bernhard von Bülow, Reichskanzler von 1900 bis 1909, einen Klaren nach dem anderen hinein. Felix Römer führt als weinerlicher Kaiser Franz Joseph I. neben einem gekonnten Wiener Idiom vor allem eine Art Pelzbolero spazieren. Und Ingo Hülsmann selbst gibt den russischen Außenminister Iswolski mit fester Entschlossenheit zur Soap.

Dieses Typenkabarett beherrschen die Schauspieler natürlich aus dem Effeff – genau wie David Ruland den durchs zwanzigste Jahrhundert getriebenen Karl Lakner. Im signalroten Pullover gibt er ohne Fehl und Tadel genau jenen gutmütig-trotteligen Naivling, als den man ihn schon oft an der Schaubühne sah. Am originellsten sind die Szenen, in denen die Schauspieler dank raffinierter Bühnentechnik mit Trickfilmfiguren in Dialog treten: Karls überdimensionale, in schön krakeligem Schwarz-Weiß skizzierte Cartoon-Mutter, hinter der der Sprössling herdackelt wie ein hilfloser garstiger Zwerg, oder die rumpelige Trickfilm-Straßenbahn, in der Karl seiner Freundin Marie (Jenny König) das überraschende Beziehungs-Aus verkündet, zeitigen im Publikum entsprechende Lacher. Abgesehen davon, dass man sich natürlich fragen kann, ob das alles tatsächlich so wahnsinnig komisch war mit „Karl und dem zwanzigsten Jahrhundert“, wandelt Hülsmann ansonsten wirklich nur auf bekannten Pfaden.

Wieder 25. Mai sowie am 23. und 24. Juni, 20.30 Uhr

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