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Der Autor Feridun Zaimoglu

© Uwe Anspach/dpa

Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb: Feridun Zaimoglu hält kämpferische Eröffnungsrede in Klagenfurt

Eine politische Rede mit literarischem Vermögen: Feridun Zaimoglu eröffnet das Bachmann-Preislesen mit scharfen Worten gegen irregeleitete Patrioten und Rechte.

Als der Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu an diesem  Mittwochabend im ORF-Studio seine Klagenfurter Rede zur Literatur zu halten beginnt, gibt es hie und da im Publikum ein gewisses Erstaunen: Wie spricht der denn? Ist das jetzt eine Rede? Eine politische Rede gar, wie sie Zaimoglu in den Tagen vor der Eröffnung des 42. Bachmann-Preislesens angekündigt hatte, „eine Kampfansage an die Rechten“?

Denn vielmehr ist es wirklich ein akklamatorischer Singsang, mit dem Zaimoglu seine Worte setzt, seine Sätze sagt. Das hat was bedeutsam Raunendes, etwas romantisch Vollmundiges, klar, es soll hier auch um den „Wert der Worte“ gehen, aber auch einigen Wohlklang. Zaimoglu hält eine Rede, die mehr Literatur ist als Rede, Feridun-Zaimoglu-Literatur: die Erzählung von einem Mädchen, das um seinen Vater trauert, das selbst ein Klagelied anstimmt und konstatiert: „Wir sind geworden Gegangene, ein Gruß den Gebliebenen“. Und so wie dem Mädchen niemand zuhört, so verleiht ihm nun Zaimoglu eine Stimme, „es soll durch meinen Mund sprechen, was sich dem Lärm entzogen hat“. Und: „Ich trat die Heimkehr zu den Verlassenen an“.

Es gibt hier in Klagenfurt beim Bachmann-Wettbewerb, der wegen seiner literarischen Nabelschauhaftigkeit, wegen seiner Selbstbezüglichkeit Jahr für Jahr unter einen besonderen Rechtfertigungszwang steht, oftmals eine hohe Erwartung an diese Eröffnungsreden, die freilich immer von Schriftstellern gehalten werden, (von solchen zumal, die hier gute alte Bekannte sind, Preisträger). Und die schreiben Reden nun einmal zumeist so, wie sie literarische Texte schreiben. Man denke nur an Peter Wawerzinek, der ein paar Jahre nach seinem Bachmann-Preis-Sieg in einer Klagenfurter Rede zur Literatur noch einmal erläutert hatte, wie er zum Schriftsteller wurde.

Rechten gehe es um „Fremdenabwehr“

Zaimoglu hält dagegen tatsächlich eine explizit politische Klagenfurter Rede, nur eben mit dem ihm eigenen literarischen Vermögen. Um genau mit diesem den Verlassenen, wie er sie nennt, zur Seite zu springen, den Armen, den Obdachlosen, den Geflüchteten und den Fremden, die sich in ein Land wie Deutschland vor den Bürgerkriegen in ihrer Heimat gerettet haben und nun „im Spuckeregen der Verachtung“ stehen. Und er stellt sich auch an die Seite der Frauen, „die in der größten Lüge des Mannes“ leben müssen, nämlich der, „dass es seine Beherrschung sei, zu führen, zu lenken und zu herrschen.“

Zaimoglu rechnet mit irregeleiteten Patrioten und den Rechten ab und bringt es auf den Punkt: „Wer die Eigenen gegen die Anderen ausspielt und hetzt, ist rechts“. Rechten gehe es um „Fremdenabwehr, die Vaterländerei ist ihre Phrase der Stunde.“ Und: „Der Moslem, der Morgenländer, der Einwanderer, der Flüchtling: Sie sind in ihren Augen Geschöpfe dritten Ranges.“ Das kann man so sagen, das muss man auch einmal genau so sagen.

Aber auch für die manchmal so arg gescholtenen Klagenfurter Bachmann-Preis-Seelen hält Zaimoglu tröstende wie kämpferische Worte bereit, als er damit beendet, dass Klagenfurt nicht nur ein „Ort der vielen Geschichten“ sei, sondern einer der „Beseelung“. Denn: „Wir schreiben, wir lesen, wir kämpfen. Wir stehen bei den Verlassenen.“ Schöner kann man es nicht sagen, besser kann ein Ingeborg- Bachmann-Wettbewerb gar nicht beginnen. Mal sehen, ob Raphaela Edelbauer, Martina  Clavadetscher und Stephan Lohse, die an diesem Donnerstag als erste antreten beim Wettlesen, das Zaimoglu-Versprechen schon einzulösen vermögen.

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