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Indisch Bauhaus: Der Maharadjah als Mäzen der Moderne

Das Pariser Musée des Arts Décoratifs widmet dem Maharajah von Indore und seinem Architekten Eckart Muthesius die Ausstellung „Moderne Maharajah“.

Ein Maharajah musste repräsentieren, seinen Untertanen sein Ohr leihen, die Tradition respektieren. Das tat auch Prinz Yeshwant Rao Holkar, seit 1930 Maharajah von Indore im heutigen zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Er nutzte die Paläste seiner Vorfahren „Rajwada“ und „Lal Bagh“ aus dem 18. Jahrhundert für Audienzen. Aber der junge Spross war ein Kind des 20. Jahrhunderts, studierte Kunstgeschichte und Politik in Oxford und interessierte sich für westliche Musik und Kunst. Ihm hat das Pariser Musée des Arts Décoratifs die Ausstellung „Moderne Maharajah“ gewidmet, die das einzigartige Wirken dieses Mäzens in den 30er Jahren in Indien grandios in Szene setzt.
[Bis 12. 01. 2020, Musée des Arts Décoratifs, www.madparis.fr]

Sein Leben in zwei Welten dokumentieren die beiden Doppelporträts, die der französische neusachliche Maler Bernard Boutet de Montvel 1933 von Yeshwant und seiner Frau, der Maharani Sanyogita Devi, gemalt hat. Mal sitzt der Maharajah in traditionellem Gewand mit Turban und Schwert auf einem Kissen, während seine Frau mit Schleier vor Blumentöpfen posiert, mal lehnt er sich lässig wie ein Dandy in Smoking und Cape an einen Kamin, seine Frau lehnt in einem Seidenkleid westlichen Schnittes mit üppigem Schmuck an einer Kommode. Beide Gemälde waren für ihren Privatpalast „Manik Bagh“ bestimmt, den der Berliner Architekt Eckart Muthesius (1904-1989) für den Maharajah entwerfen sollte.

Die Begegnung mit dem jungen, eleganten und gebildeten Prinzen auf einer Gartenparty in Oxford 1930 war der Anfang einer fantastischen Geschichte. Da wird ein junger deutscher Architekt, der schon beste Referenzen vorzuweisen, in Deutschland und England studiert und gearbeitet hat, von dem gleichaltrigen Prinzen, einem modern denkenden, aufgeschlossenen Fürsten, gebeten, die Pläne eines französischen Architekten für einen Palast zu begutachten.

„Mir gefiel der Plan des Franzosen nicht, das war mir viel zu schwülstig. Und als junger Mensch hatte ich nichts zu verlieren. Wir saßen drei Stunden im Schlafzimmer auf dem Boden und studierten die Pläne. Ich fasste mir dann ein Herz und sagte dem Maharajah, dass diese Architektur für Indien nicht passend sei. Sie passe weder zum Klima noch läge die Küche richtig, deren Gerüche nicht durch das Haus ziehen sollten“, erinnerte sich Muthesius in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel 1989 in seinem Studio im Keller des legendären Hotel Bogotá. „Dem Maharajah gefiel das auch alles nicht, er fühlte sich durch mich bestätigt. Ich sollte ihm einen neuen, modernen Palast mit europäischem Interieur entwerfen. Schon hatte ich meinen Auftrag in der Tasche.“

Die Geschichte des Palasts „Manik Bagh“ erzählt die Pariser Ausstellung. Sie widmet in Kabinetten den Akteuren Raum, allen voran Eckart Muthesius, dem Sohn des berühmten Architekten Hermann Muthesius, dessen Villa in Nikolassee der Maharajah später besuchte. Zu den Förderern des Palastprojektes gehörte Marcel Hardy, der Hauslehrer des Prinzen, der ihn wiederum mit Pierre-Henri Roché bekannt machte. Dieser wurde künstlerischer Berater des Prinzen, um ihn bei seinen Ankäufen in Sachen Moderne zu unterstützen. Durch ihn lernte der Prinz den Sammler Jacques Doucet und seine Sammlung kennen, die ihn endgültig davon überzeugte, „Manik Bagh“ im Stil der europäischen Moderne einzurichten.

Intime Fotos des Fürstenpaares

Der Prinz und seine Frau lernten Man Ray (1890-1976) kennen, dessen intime Fotos über das junge Paar mehr als alles andere dessen moderne Auffassungen spiegeln, Fotos von Nähe, wie sie das Paar im traditionellen Indien nur zu privaten Zwecken verwenden konnte.

Diese Atmosphäre beflügelte Muthesius, der sich gerade 1927 mit einem Architekturbüro selbstständig gemacht hatte und immer im Schatten seines berühmten Vaters stand. Faszinierend sind die kühnen Entwürfe von Muthesius für den U-förmigen Palast, der auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet werden sollte. Aber es sind retuschierte Entwürfe, denn Muthesius hatte den Palast mit einem Flachdach versehen. In Indien musste er aber erkennen, dass dieses den Wassermassen des Monsuns nicht gewachsen wäre. Also baute Muthesius den Palast mit steilem Ziegeldach, das er auf allen zur Veröffentlichung freigegeben Fotos wegretuschierte. Selbst auf den privaten Amateurfilmen aus dem Garten des Palasts wird peinlich darauf geachtet, das Dach auszusparen, Fake News der 30er Jahre. Aber selbst das Dach tat dem Entwurf keinen Abbruch. Rostrote, zum Teil langgestreckte Markisen betonten den Charakter des Baus und passten ihn der indischen Landschaft an.

„Ich fuhr sofort zurück nach Berlin, suchte die Schüler meines Vaters zusammen, und wir entwarfen innerhalb von drei Wochen Möbel und Grundriss, das ganze Interieur“, erzählte Muthesius 1989. „Ich war sehr stolz darauf, alle Arbeiten für den Palast – außer Mauerwerk und Putz – in Berlin vergeben zu haben, was angesichts der hiesigen Arbeitslosigkeit wichtig war.“ Die Aufträge für Möbel, Lampen, Stahltüren und -fenster mit Rauchglasscheiben gegen die Sonne, auch die Klimaanlage, die erste in Indien überhaupt, wurden in Berlin unter der Aufsicht von Muthesius ausgeführt: „Sogar den Marmorfußboden habe ich hier fertigen lassen, denn mir war die Art der Verlegung sehr wichtig. In Berlin konnte ich das nach meinen Vorstellungen fertigen lassen.“

Zu den Möbeln gehörte der berühmte „rote Sessel“ mit den in die Kopfstütze eingebauten Leselampen und dem Aschenbecher in der Armlehne. Er wurde 1989 von den Vereinigten Werkstätten in einer limitierten Auflage wieder hergestellt. „Sally“, der ledergepolsterte Esszimmerstuhl mit Kristallspiegeln auf den Beinen sowie der Teewagen „Tiwary“ gehören zu den Schmuckstücken der Kollektion. Bevor alles in drei Schiffsladungen nach Indien geschafft wurde, stellte Muthesius die Inneneinrichtung in einer zu diesem Zweck gemieteten Wohnung in der Budapester Straße aus. Rund 4000 Besucher sollen damals die „indischen Möbel“ gesehen haben. In der Ausstellung sind diese Berliner Fotos zu sehen.

In Paris hat man nun einige Räume des Palastes „Manik Bagh“ nachgestellt mit dem Mobiliar von damals vor den Großaufnahmen aus dem Palast: das Arbeitszimmer, das Schlafzimmer, die große Halle und das Musikzimmer. Das Fürstenpaar hatte in Frankreich zahlreiche Studios besucht und Künstler eingeladen, für den Palast zu produzieren. So finden sich Werke von René Herbst, Louis Sognot und Charlotte Aix, Georges Djo-Bourgeois, Le Corbusier, Charlotte Perriand und Pierre Jeanneret sowie Eileen Gray. Der prächtige Teppich von Ivan Da Silva Bruhns mit seinen schwarzen Linien und Formen auf dem typisch rostroten Grund ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Tradition und Moderne in Einklang brachte.

Die Werke von Muthesius passten gut in diesen Kontext aus Bauhaus und Art Déco. „Manik Bagh“ war ein einzigartiges Art-Déco-Gesamtkunstwerk, das es in dieser Art in Indien nur einmal gibt. Eckhart Muthesius hatte daran einen entscheidenden Anteil. Es wäre Zeit, ihm in seiner Heimatstadt Berlin eine Ausstellung zu widmen.

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