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Schräg und schön. In „Silvi“ sucht eine 47-Jährige die große Liebe.

© Alexander du Prel

Indie-Filme: „Jetzt hab’ ich erstmal ordentlich Schulden“

Drei Regisseure der Berlinale finanzierten ihre Filme ganz ohne Förderung. Wie junge Filmemacher ihre Ideen trotzdem verwirklichen.

Es sind spürbar leidenschaftliche Filme, entstanden aus persönlichen Impulsen. Darin gleichen sich Sven Halfars „Dead“, Nico Sommers „Silvi“ und Sebastian Fritzschs „Endzeit“. Aber es gibt noch eine Gemeinsamkeit zwischen den drei Nachwuchsarbeiten aus der Perspektive Deutsches Kino: Sie sind alle ohne Filmförderung entstanden. Ohne Beteiligung eines Fernsehsenders. Ohne Verleih im Rücken. In Deutschland eigentlich unmöglich. Von „alternativen Finanzierungsmodellen“ ist dann die Rede. Doch was heißt das?

Zumindest zwei der Regisseure haben zunächst versucht, ihre Filme auf dem klassischen Weg zu finanzieren. Sven Halfar, der an der Hamburger Filmhochschule studiert hat, zog los mit seiner Geschichte über einen jungen Outlaw, der nach dem Selbstmord der Mutter seinen Erzeuger heimsucht. Arbeitstitel: „Langer Tag, kurzer Schrei“. Bei der Filmförderung Hamburg blieben ihm die Türen verschlossen, weil man dort erst gar keinen Antrag stellen kann, wenn man nicht zumindest die Absichtserklärung eines Verleihs vorweisen kann. Hatte Halfar nicht. Und den Redakteuren der Sender kamen schon wegen der ersten Szene Bedenken. Ob die Mutter sich unbedingt aufhängen müsse, sei er gefragt worden, berichtet der Regisseur. Könnte sie nicht einfach Tabletten genommen haben und auf dem Bett liegen? „Es ging darum, den Stoff zu verweichlichen. Fernsehgerecht zu machen“, sagt er. Aber zu Kompromissen war er nicht bereit.

Nico Sommer ist mit „Silvi“ ebenfalls abgeblitzt. Die schräg-schöne Geschichte einer 47-Jährigen auf der Suche nach einem neuen Lebenspartner fiel durch die Raster. „Was wir bei der Filmförderung Hessen beantragt haben, war ein Witz.“ Der Absolvent der Kunsthochschule Kassel schüttelt den Kopf. „Jeder Produzent würde sich ins Fäustchen lachen, wenn er für das bisschen Geld jetzt einen Spielfilm in der Tasche hätte.“ Beim Medienboard Berlin-Brandenburg sei Low-Budget-Förderung gar nicht vorgesehen, erzählt er – was man gut oder schlecht finden könne. Und von den Sendern RBB und ZDF kamen ebenfalls Absagen. „Interessanter Stoff, aber wir sind schon voll bis 2014“, hieß es beim Kleinen Fernsehspiel. „Ich will aber nicht ein Jahr warten, bis die sich entschieden haben, lieber einen anderen Film zu fördern“, so der Regisseur.

Der Kölner Sebastian Fritzsch schließlich hat für „Endzeit“ erst gar keine Förderung beantragt. Dafür liegt sein jüngstes Projekt „Palka“ gerade beim WDR auf dem Tisch. Die im Ruhrpott angesiedelte Vater-Sohn-Story soll den konventionellen Finanzierungsweg nehmen. „Endzeit“ dagegen, eine postapokalyptische Parabel über die Kämpfe einer Gruppe letzter Menschen, hat Fritzsch aus eigener Tasche finanziert. Hat sich aus der Familie einen Anteil des Budgets geliehen, den größeren Rest von einem Freund. Risikokapital. „Ich bin jetzt erst mal ordentlich verschuldet“, stellt er fest. Sven Halfar hat einen Kredit bei der Bank aufgenommen, auch seine Produzentin Rike Steyer steckt mit eigenem Geld in dem Projekt. Nico Sommer hingegen hat eine Art Crowd-Funding-Modell angestoßen. Gab an Familie und Freunde die Ansage aus: „Ihr seht euer Geld nie wieder, aber wollt ihr mich trotzdem fördern?“ Was die wiederum an ihre Freunde und Bekannten kommunizierten. „Schneeballsystem“, sagt Sommer. Bloß ehrlich.

Mit welchem Budget die drei Filme entstanden sind, wäre interessant zu erfahren. Aber zumindest Halfar und Sommer möchten keine konkreten Summen nennen. Und haben gute Gründe dafür. „Ich finde es problematisch zu verkünden, dass man für wenig Geld einen geilen Film machen kann“, sagt Halfar. Real kalkuliert würde „DeAd“ zwei Millionen Euro kosten, schätzt er. Davon sind sie natürlich Lichtjahre entfernt. Der Regisseur und sein Team haben anderthalb Jahre an dem Projekt gearbeitet, Herzblut investiert, keiner hat bislang einen Cent verdient. Am Ende gab es eine Postproduktionsförderung von 25 000 Euro, die ihnen den Hals gerettet hat, weil der Film wegen technischer Schwierigkeiten zur Hälfte nachsynchronisiert werden musste. Soll er sich nun als leuchtendes Vorbild der Selbstausbeutung verkaufen?

Nico Sommer sagt nur, „Silvi“ sei ein Low-Budget-Film. In die Kategorie fällt in Deutschland alles unter 500 000 Euro Produktionskosten. Sommer will vermeiden, dass sein Film auf eine Zahl reduziert wird. Er hat aufmerksam die Diskussion um Axel Ranischs Independent-Debüt „Dicke Mädchen“ verfolgt – da war nur noch von dem sensationellen Bugdet von 517 Euro die Rede. Motto: Der Taschengeldfilm ist möglich. „Das suggeriert etwas Falsches“, glaubt Sommer.

Sebastian Fritzsch wägt ab: „Die vermeintlichen Freiheiten, die man durch ein großes Budget gewinnt, können sich genauso als Illusion erweisen“. Andererseits mache Beschränkung allein auch nicht automatisch kreativer. Fest steht: alle drei sind stolz auf ihre Filme. Und überzeugt, dass sich was ändern muss im deutschen Fördersystem. Es geht ihnen nicht um Schuldzuweisungen in Schwarz-Weiß: hier der verzagte Redakteur, dort der passionierte Regisseur. Trotzdem: mehr Mut aufseiten der Sender bräuchte es, sagen sie.

Nico Sommer hat jedenfalls keine Lust mehr, sich der schwerfälligen Bürokratie der Filmförderanstalten und öffentlich-rechtlichen Sender zu unterwerfen. Er will sich unabhängig machen, am liebsten als sein eigener Produzent und Verleiher. Sein nächstes Projekt bringt er gerade auf den Weg: „Mit eigenem Geld“.

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