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Claudio Abbado war von 1989 bis 2002 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.

© picture alliance / dpa/ Urs Flueeler

„In memoriam Claudio Abbado“: Segeln in unbekanntes Land

Gedenken an Claudio Abbado zum fünften Todestag: Das Chamber Orchestra of Europe mit Robin Ticciati am Pult ehrt den ehemaligen Chefdirigent der Philharmoniker.

1783 schreibt Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater, er arbeite „über hals und kopf“ an einer neuen Symphonie. Und die gern zitierte Mitteilung aus der Werkstatt des eiligen Komponisten meint die „Linzer“ Symphonie, die in ihrer langsamen Einleitung die Nähe Haydns beschwört und mit Pauken und Trompeten im Andante glänzt. Ein C-Dur-Werk mit chromatischen Seufzern hinter festlicher Fassade, erstaunlichen Schatten noch im Finale. Hier weckt eine Art Cantus firmus Erinnerungen, während die Polyphonie triumphiert. Das Orchester feiert den Dirigenten des Abends, das Publikum in dankbarer Stimmung alle Interpreten im vollbesetzten Kammermusiksaal.

Es ist das Chamber Orchestra of Europe (COE) mit Robin Ticciati am Pult, dem Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) in Berlin. Und das Konzert steht im Rahmen der Reihe „In memoriam Claudio Abbado“, die von den Berliner Philharmonikern ihrem ehemaligen großen Chefdirigenten zum fünften Todestag gewidmet wird. Eingeladen sind zwei Kammerorchester, deren Werdegang mit Abbado als Förderer des musikalischen Nachwuchses verbunden ist. Dazu gehört neben dem Mahler Chamber Orchestra auch das COE, mitbegründet 1981 von Abbado und in kostbaren Aufführungen von ihm geleitet. 1986 zum ersten Mal in der Berliner Philharmonie.

Schwerpunkt der Reihe sind Werke von Mozart

Etwa 60 Mitglieder umfasst die Kernbesetzung aus europäischen Ländern, und es hat sich ergeben, dass aus dem ehemaligen Jugendorchester längst ein Ensemble renommierter Musiker jenseits aller Altersgrenzen geworden ist.

Als Schwerpunkt der Abbado gewidmeten Konzertreihe sind Werke von Mozart gewählt worden. Dass in dessen Instrumentalmusik viel von der Sanglichkeit der Oper fortlebt, wird in der Wiedergabe Ticciatis betont. So auch das kompositorische Spiel mit Ernst in dieser Symphonie. Vielleicht begünstigt die Akustik des Saals den etwas massiven Klang. Ticciatis Aufforderung zum Wiegen im Dreivierteltakt des Menuetts aber gefällt wie die frische dramatische Bewegtheit im Presto. Die Programme des DSO unter seiner Leitung zeigen, dass Ticciatis besondere Neigung der französischen Musik gehört, die hier beim COE mit Mozart konfrontiert wird. Vor Debussy und Schönberg hat sich Gabriel Fauré mit „Pelléas et Mélisande“ beschäftigt und aus seiner Schauspielmusik zu Maeterlincks Drama schließlich eine Suite gemacht. Mehr als Eleganz und Delikatesse webt in der Sicilienne, nämlich romantische Verschwiegenheit, wo Flöte und Harfe entzücken.

Als Höhepunkt des Konzerts trifft ein lyrisches Meisterwerk auf eine Meisterin des französischen Gesangs: Magdalena Kozená gestaltet den Liederzyklus „Les Nuits d’été“ von Hector Berlioz, eine konfliktreiche Handlung um Frühling, Erotik und Tod – „Ma belle amie est morte“ – bis zur Beschwörung: „Reviens, reviens ma bien aimée!“ Auf diesen großen Bogen, den die Sängerin mit unheimlicher Schönheit baut, folgen weißes Grab und das Segeln in unbekanntes Land. Viel Pianissimo, melodische Steigerungen, leuchtender Klangzauber, Romantik treu am Text von Gautier – dies alles ereignet sich in einer Interpretation, von der man nur schwärmen kann.

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