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Verlockungen des Glamours: Maureen (Kristen Stewart) probiert heimlich die Kleidung und die Rolle ihrer Chefin aus.

© Weltkino

Im Kino: "Personal Shopper": Material Girl auf Geisterjagd

Ein Film über die Suche nach spiritueller Rettung in der materiellen Welt. Kristen Stewart zeigt in Olivier Assayas' Geistergeschichte „Personal Shopper“ eine bravouröse Leistung.

Von Andreas Busche

„Ich bin ein Medium“, sagt Maureen etwas zögerlich. Was sie damit meint, führt Regisseur Olivier Assayas gleich in den ersten Szenen von „Personal Shopper“ vor, der ein freies Spiel mit Genrekonventionen treibt. Die junge Amerikanerin verfügt über ein feines Sensorium für die immaterielle Welt, obwohl sie auf den ersten Blick keinen allzu esoterischen Eindruck macht. Sie hofft auf ein Zeichen ihres verstorbenen Bruders Lewis, mit dem sie vor dessen Tod einen Pakt geschlossen hat. Wer sich zuerst aus dem Leben verabschiedet, schickt eine Botschaft aus dem Jenseits. Und da sie schon eine Weile auf ein Zeichen wartet, hat sie sich provisorisch in Paris eingerichtet, wo Lewis zuletzt mit seiner Freundin lebte.

In deren gemeinsamen Haus hat Maureen – von Kristen Stewart wieder mit dieser inzwischen charakteristischen Mischung aus Unnahbarkeit und Schüchternheit gespielt – am Anfang eine Begegnung, die man gemeinhin als übersinnlich bezeichnet. Sie spürt eine Präsenz, die sie nicht in Worte fassen kann, die für das Kinopublikum aber als schemenhafter Spezialeffekt zu sehen ist. Assayas gibt damit früh zu verstehen, dass „Personal Shopper“ auch als Genre-Hommage gemeint ist, die später allerdings – wie die meisten Arbeiten des französischen Autorenfilmers – noch eine ganz neue Wendung nimmt. Genres interessieren Assayas nur an ihren Bruchstellen beziehungsweise in „verunreinigter“ Form als B-Movie.

YouTube Videos über geheime Séancen

Der Titel gibt bereits einen Hinweis, dass „Personal Shopper“ kein typischer Horrorfilm, allenfalls eine Mystery-Geschichte ist. Ihren Lebensunterhalt verdient sich Maureen als Assistentin eines launischen It-Girls, für deren öffentliche Auftritte sie die neusten Mode-Accessoires besorgen muss. High-Fashion-Boutiquen und Designer-Showrooms markieren Maureens Kurierfahrten durch Paris auf dem Motorroller und mit öffentlichen Verkehrsmitteln – ihrem inneren Stillstand verleiht die Kamera eine dynamische Gegenbewegung.

Materialismus und das Immaterielle finden in Maureens Alltag also unter widrigsten Umständen zueinander. Im Zug schottet sie sich von ihrer Umwelt mit riesigen Kopfhörern ab, während auf ihrem Smartphone Youtube-Videos über Hilma af Klint, der 1944 gestorbenen, spiritistischen Malerin, oder ein fiktiver Spielfilm über die geheimen Séancen des Schriftstellers Victor Hugo (gespielt vom Chansonnier Benjamin Biolay) laufen.

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Assayas erstellt auf Seitenpfaden neue Verknüpfungen, die als metatextueller Kommentar auf die emotionale Leere und körperliche Durchlässigkeit von Stewarts Figur zu verstehen sind. Auch das Kino ist letztlich ja nichts anderes als ein Medium, das Abbilder einer immateriellen Wirklichkeit produziert. Objektive bündeln Lichtwellen, die auf Filmemulsionen und Datenchips latente Bilder erzeugen.

Hier liegt auch das spezifische Interesse von Assayas, der sich in früheren Filmen immer wieder mit der medialen Vermittlung der Wirklichkeit (3D-Internetpornografie in „Demonlover“, autobiografische Erinnerungsarbeit in „Die wilde Zeit“) beschäftigt hat. In der Dokumentation über Klint erklärt ein Experte, dass der Spiritismus der technischen Avantgarde immer nahegestanden habe.

Nicht nur in ästhetischer Hinsicht bahnbrechend

In „Personal Shopper“ verlagert sich dieses Verhältnis von den Bildmedien nun zu den sozialen Medien, die zu Maureens zweiter Natur geworden sind. Wohl nur Assayas versteht es, Kommunikation ohne Spannungsverlust vom Räumlichen ins Virtuelle zu verschieben. Wie er mit dem bloßen Abfilmen von Screens, auf denen minutenlang die Whatsapp-Dialoge Maureens mit einem Stalker vorüberlaufen, Suspense erzeugt, ist nicht nur in ästhetischer Hinsicht bahnbrechend.

Wie so oft bei Assayas geht die Motiv- und Zeichenlese in „Personal Shopper“ letztlich nicht ganz auf. Sein offener Umgang mit unterschiedlichen Genres legt es allerdings auch nicht auf dramaturgische Kohärenz an. Der Film lebt gerade von den Friktionen und Leerstellen des Plots, die im nahezu körperlosen Spiel Kristen Stewarts die schönsten Verstörungen hervorrufen. Maureen ist die bislang vielleicht interessanteste weibliche Figur Assayas – auf der Suche nach spiritueller Errettung, haltlos in der materiellen Welt. Wie sie sich in diesem Widerspruch bewegt, ist großes Kino.

In 6 Berliner Kinos (OmU); b-ware!, Filmtheater Friedrichshain, Kant Kino

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