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Dreisam einsam. Vater Arieh (Gilad Kahana), Mutter Fania (Natalie Portman) und Sohn Amos (Amir Tessler) warten gespannt auf das im Radio verkündete Ergebnis der UN-Abstimmung, die 1947 der Unabhängigkeit Israels den Weg bereitete.

©  Koch Media

Im Kino: "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis": Das sehr persönliche Regiedebüt von Natalie Portman

Erst war da der grandiose Israel- und Familienroman von Amos Oz. Nun hat die Schauspielerin Natalie Portman daraus ihr mutiges Kino-Regiedebüt geschnitzt.

Sie hat sich nicht darum gerissen, das Drehbuch zu schreiben, berichtet sie in einem schönen, unlängst erschienenen „Spiegel“-Interview. Aber dann sagten die, die sie beauftragen wollte, du hast so genaue Vorstellungen, dann mach es doch selbst. Auch in der Hauptrolle, sagt sie, hat sie sich erst nicht besetzen wollen. Aber da sie nunmal entschlossen war, den Film auf Hebräisch mit israelischen Schauspielern zu drehen und ausschließlich in untertitelter Originalfassung zu zeigen, musste, damit das Geld wenigstens ansatzweise wieder hereinkam, ein Star her. Beziehungsweise, sagt Natalie Portman, eine „namhafte Schauspielerin“.

Den Film aber hat sie machen wollen schon seit Jahren, und das zum ersten Mal als Regisseurin. Eine großartig fixe Idee ist das, ausgerechnet jenes wunderbar uferlose Epos in bewegte Bilderrahmen zu fassen, mit dem der israelische Schriftsteller Amos Oz von seiner Kindheit, von seinen Eltern, von der bewegten Staatsgründung seines Landes, von seinen Vorfahren, von Jerusalemer Stadtvierteln, vom historischen Trauma der Juden, von den Intellektuellen und Künstlern der späten 1940er Jahre und allerhand anderem erzählt – und dies in einer einzigartigen Mischung aus Melancholie und Humor, die den Leser mit Wärme geradezu überflutet.

Eigentlich unverfilmbar, dieses 800-Seiten-Konvolut

„Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ heißt der eigentlich unverfilmbare 800-Seiten-Memoirenromanessay, den Amos Oz um die Jahrtausendwende schrieb, da war er Anfang sechzig. Und genau so hat die ehrgeizige Regiedebütantin, die als Neta-Lee Hershlag 1981 in Jerusalem geboren wurde und in den USA aufwuchs, ihren Film genannt. Erst mit 18, berichtet sie, hat sie erfahren, dass ihre Urgroßeltern väterlicherseits in Auschwitz ermordet wurden – und nun, fast doppelt so alt, geht sie furchtlos als gestaltende Künstlerin selber auf die Suche nach der verschwiegenen Zeit.

Was sie findet und bald derart festhält, als wollte sie ihren Film selber immer wieder zum Stillstand bringen, ist ein Vakuum, ein unauflösbarer Unterdruck, das Rätsel um den Tod der Mutter des Schriftstellers, da war der kleine Amos gerade zwölf. Entronnen aus dem polnischen Rowno, gelegen in Wolhynien, dem Nordwestzipfel der heutigen Ukraine, wo die deutschen Besatzer 20 000 Juden töteten, fühlte sie sich in dem nach einem blutigen Unabhängigkeitskrieg geborenen israelischen Staat fremd; und bald verstummte die vom Sohn zart geliebte Geschichtenerzählerin auch mitten in ihrer in ärmlichen Verhältnissen lebenden Vatermutterkindfamilie. Bis sie sich 1952 mit Schlaftabletten das Leben nahm.

Sprachloser Vater und Gespenster-Verwandte

Anders als Amos Oz hält Natalie Portman sich visuell und narrativ, in poetischen Rückblenden und Traumszenen ganz an eine alles überwölbende Melancholie. Häufig aus der Untersicht des Kindes (der neunjährige Amir Tessler in seiner ersten Kinorolle) gefilmt, entfaltet sich eine blaugrau entfärbte, steinerne Welt, aus der es kaum ein Entrinnen gibt. Der Vater Arieh (Gilad Kahana): ein freundlicher Büchernarr und Bibliothekar, leidenschaftlich abstrakt an Sprache interessiert, aber völlig sprach- und hilflos gegenüber dem Leiden seiner Frau. Die Verwandten, Bekannten, Schulkameraden: grobe Gespenster. Und zwischen allen die Mutter Fania, die in mattfarbenem Sessel über Romanlektüren dahinwelkt: Portman gibt sie so zurückhaltend wie durchdringend als blasse, an den Tod verlorene Fantasiegestalt.

Sehr verletzlich ist das und nicht immer geglückt. Arg viele Zeitlupen, zu viel Pianissimo-Piano und Harfengezupfe. Auch dass der fast 80-jährige Schauspieler Alexander Peleg als altes Ego des sich erinnernden Schriftstellers immer mal wieder zum eigenen raunenden Voice-Over durchs Bild wandelt, ist entschieden zu viel des Entrückten. Andererseits verleiht Portmans Vorsatz, sich vom so vitalen Roman zu entfernen, den lose zwischen Zeiten und Seelenräumen springenden Szenenfolgen einen berückend eigenen Sog. Als inszenierte sich der Film vor den Augen des Zuschauers selber bereits als Erinnerung, augenblicksweise überdeutlich hervortretend aus dem alles grundierenden Dunkel.

Eine neue Regie-Handschrift

So persönlich. Ja, eine Handschrift schon. Der sichere Blick auf ein Ziel. All das beweist Natalie Portman in ihrer neuen Rolle als Regisseurin. Und auf dem stillen, mutigen Ergründungsweg in die Finsternis, der sie entstammt.

In Berlin in den Kinos Blauer Stern Pankow, Capitol, Cinemaxx, Delphi, FaF, Kulturbrauerei; OmU leider nur im Rollberg

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