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Der sanftmütige Ziegenhirte. Arben Bajraktaraj als Beznik in "Ein Licht zwischen den Wolken".

© Neue Visionen Filmverleih

Im Kino: "Ein Licht zwischen den Wolken": Jesus in der Moschee

Bergidyll und Religionskrieg: Das stille albanische Drama „Ein Licht zwischen den Wolken“ zeigt die Wunden, die Enver Hoxhas Regime einst schlug - und die nicht verheilt sind.

Vor 30 Jahren fiel nicht nur die Mauer, sondern auch der Eiserne Vorhang. In Deutschland vergisst man leicht, welche tektonischen Verschiebungen ganz Osteuropa erlebte. Auch in Albanien wurden 1990 die Kommunisten gestürzt. Aber das Erbe von Diktator Enver Hoxha, der das Land auf eisern stalinistischem Kurs hielt und unter anderem ein totales Religionsverbot erließ, wirkt bis heute nach.

Zum Beispiel in der Familie des Ziegenhirten Besnik (Arben Bajraktaraj) in einem Bergdorf im albanischen Norden. Der Vater ist Moslem, der nach Griechenland ausgewanderte Bruder wurde aus praktischen Gründen orthodox, die Mutter war fromme Katholikin – früher, unter dem atheistischen Regime, lebten die Religionen in friedlicher Eintracht. So sagt es zumindest der Vater, seine Kinder sprechen stattdessen von Spaltung. Einst konnte Besnik seine Liebste nicht heiraten. Der Vater verbot die Ehe, weil die junge Frau von Hoxhas Schergen verfolgt wurde.

Es ist eine ärmliche, aber auch magisch-poetische Realität, in die der Filmemacher Robert Budina das Publikum von „Ein Licht zwischen den Wolken“ entführt. Die Zeit steht still, selbst die Kamera bewegt sich bedächtig. Petroleumlampen erhellen die Stube, Besnik bettet den kranken, schlimm hustenden Vater in den Ziegenstall, weil die Wärme der Tiere ihm guttut. Vor dem Hintergrund des majestätischen Gebirgsmassivs breitet der schweigsame Sohn den Hirtenmantel als Gebetsteppich aus, streicht mit den Fingern übers Gesicht. Ob er zu Allah betet oder zum Gott der Ziegen, es spielt keine Rolle.

„Ein Licht zwischen den Wolken“ ist der erste komplett in Albanien gedrehte Film, der hierzulande ins Kino kommt. Es geht um das schleichende Gift der Vergangenheit und den Skandal der Toleranz. Als Besnik in der kleinen Moschee einen Hohlraum hinter dem Putz der Gebetsnische ausmacht und dort ein uraltes christliches Fresko zum Vorschein kommt, tun sich Gräben auf, in der Dorfgemeinschaft ebenso wie in der Familie.

Besnik schlägt vor, die Katholiken könnten die Moschee einmal wöchentlich für ihren Gottesdienst nutzen. So war es schon vor Jahrhunderten. Vilma, die aus der Stadt angereiste Denkmalschützerin und Restauratorin (Esela Pysqyli), unterstützt sein Ansinnen – und flirtet mit ihm. Der Imam hingegen ist empört, andere auch.

Vor majestätischen Bergen das Panorama einer versehrten Gesellschaft

Die Moschee, die vor 500 Jahren eine Kirche war, hat jetzt ein hölzernes Minarett zur Seite.
Die Moschee, die vor 500 Jahren eine Kirche war, hat jetzt ein hölzernes Minarett zur Seite.

© Neue Visionen Filmverleih

Gleichzeitig reisen Besniks Geschwister aus der Stadt an, in der Hoffnung, dem sanftmütigen Besnik nach dem baldigen Tod des Vaters den bescheidenen Hof abluchsen zu können. Einbruch der Gegenwart in eine archaische Welt: Es kommt zum Zerwürfnis, irgendwann speisen die Familien der Geschwister an getrennten Tischen. Und vor der Moschee, die einst eine Kirche war, wird Besnik entweder gesegnet oder verflucht. „Die Menschen lieben Gott, aber nicht einander“, heißt es einmal.

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In sorgsam komponierten Gruppentableaus und eindringlich verdichteten, häufig von Hell-Dunkel-Kontrasten geprägten Szenen entwirft Regisseur Budina das Panorama einer zutiefst versehrten Gesellschaft, deren sozialer Kitt ähnlich bröckelt wie der Putz in der Moschee. Die Wunden der Hoxha-Zeit sind längst nicht verheilt. Schade nur, dass der Filmemacher seinen Bildern manchmal nicht traut und Geschmacksverstärker einsetzt, Natursymbolik, eine nette Lovestory, Traumgesichte und den hauchigen, dräuend-dramatischen Klang der Hirtenflöte.  (In 7 Berliner Kinos. OmU: Acud, Brotfabrik, Delphi Lux, fsk, Hackesche Höfe)  

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