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Nicht ohne meinen Hund. Regisseur Bouli Lanners spielt eine der Hauptrollen, und ohne seinen Hund Gibus wäre dieser Film nicht denkbar.

© Kris Dewitte/NFP

Im Kino: "Das Ende ist erst der Anfang": Jeder Mensch, ein Halbschattengewächs

Jesus schießt und auch sonst gibt's ein paar Wunder: Bouli Lanners’ herrliche Tragikomödie „Das Ende ist erst der Anfang“.

Gott, was für ein hoher grauer Himmel! Das Firmament grollt, manchmal entladen sich die Wolken über dieser verlassenen Gegend mit den weiten Äckern und verrotteten Lagerhallen. Die Menschen bewegen sich wie streunende Hunde darin. Esther und Willy zum Beispiel (Aurore Brutin, David Murgia), das verschreckte Pärchen in den viel zu großen Bauarbeiter-Signaljacken, zwei schlotternde Gestalten, die auf einer endlosen Hochtrasse laufen. Sie glauben, dass die Welt untergeht, wollen vorher noch schnell ein Kind besuchen, sie wissen nicht mal, wo es wohnt. Erst spät erfahrt man, was es mit Esther, Willy und dem Kind auf sich hat. Oder die Kleinganoven Gilou (Regisseur Bouli Lanners) und Cochise (Albert Dupontel) in ihrem Pick-up, die das Handy eines dubiosen Auftraggebers wiederbeschaffen sollen. Auch hier lernt man erst spät, was Sache ist.

Apropos Gott: Der ist selbstredend abwesend in dieser öden nordfranzösischen Provinz namens Beauce, in der der Belgier Bouli Lanners (auch als Schauspieler aus dem belgischen Kino bekannt) seinen vierten Film angesiedelt hat: „Das Ende ist erst der Anfang“, eine zauberhaft lakonische Moritat. Und doch geschehen wahre Wunder, zumal ein gewisser Jesus (Philippe Rebot) an der Hochtrasse aufkreuzt. Ein El-Greco-Jesus, wie Lanners sagt, einer, der Stoßseufzer gen Himmel schickt – „Ich tue, was ich kann“ – , der auf Esther und Willy aufpasst, notfalls mit der Waffe, und mit einem echten Stigma herumläuft. Ein Loch in der Hand, durch das die Sonne scheint – wenn sie denn schiene.

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Noch mehr Wunder gefällig in dieser immerzu verdüsterten Welt? Gilou ist herzkrank, Cochise macht sein Auto zu schaffen, ständig kommt ihnen jemand blöd mit Gewalt. Aber am Ende sind sie es, die eine schöne Frau getroffen haben und der Morgenröte entgegenfahren, mit Esther und Willy auf der Rückbank und Gibus, dem fürsorglichen Hund. Auch der greise, Orchideen züchtende Pensionswirt (Michael Lonsdale) erweist sich als Überlebenszausel, und der noch ältere Pastor (Max von Sydow) bereichert als Trauersänger die Beerdigung einer mumifizierten Leiche. Es reimt sich sogar: „Das Leben währt nicht allzu lang, drum lebe ich, so gut ich kann“.

Der Mensch ist ein geselliges Tier, darum geht es

Darum geht es: Dass man die Moral und die Menschlichkeit in dieser mörderischen Welt nicht völlig vergisst. Dass Europa ein Spätwestern ist (in Cinemascope!), in dem man sich kümmern muss umeinander, zumal um die Schwächsten. Der Originaltitel des Films, „Les premiers, les derniers“ zitiert nicht zufällig den Bibelsatz „Die Ersten werden die Letzten sein“. Aber keine Angst, es geht nicht fromm zu bei Lanners, wie immer im belgischen Kino, wenn Gott auftaucht, sondern surreal, spröde. Einmal steht ein kapitaler Hirsch mitten im Bild, eine Epiphanie, und die Kamera trollt sich. Merke: Der Mensch, dieses Halbschattengewächs, ist ein geselliges Tier. Das ist bei aller Melancholie ein gewaltiger Trost.

In Berlin im Filmtheater am Friedrichshain, Kant Kino, Passage. OmU: fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe

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