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In der Gruselvilla finden die Kinder ein mysteriöses Buch.

© dpa/eOne Germany

Horrorfilm „Scary Stories to Tell in the Dark“: Halloween im Retro-Look

Mit „Scary Stories to Tell in the Dark“ dockt André Øvredal an den Trend zur Nostalgie im Gruselgenre an. Und erzählt von der Furcht vor dem Fremden.

Dieses Buch hätte Stella lieber im Keller liegen lassen sollen. Vor ihren Augen füllen sich die Seiten wie von Geisterhand. Jeden Abend eine neue grausige Geschichte, geschrieben mit Blut. Immer wieder ein anderer Mensch aus ihrem Umfeld, der zur unfreiwilligen Hauptfigur wird – nirgends ein Happy End.

Der Film „Scary Stories to Tell in the Dark“ erzählt von einem Fluch des Handgeschriebenen. Er greift zurück auf Spukgeschichten und volkstümliche Erzählungen, die Alvin Schwartz in drei Büchern zwischen 1981 und 1991 zusammengetragen und für ein junges Publikum aufbereitet hat. Sie sind in den USA so berühmt wie umstritten. Wiederholt gab es Aufrufe besorgter Eltern, die die Bücher aus den Schulbibliotheken verbannen wollten. Zu verstörend seien sie für junge Gemüter. Das hat ihren Reiz für ebendiese jungen Gemüter natürlich nur erhöht.

um Erfolg der Reihe haben auch die Illustrationen von Stephen Gammell beigetragen, Tusche- und Holzkohlezeichnungen, die den Monstern der Geschichte ein schroffes, schwarz-weißes Antlitz verleihen. Diese Illustrationen stehen nun Pate, wenn Regisseur André Øvredal die Geschöpfe auf die Leinwand bringt. Der Norweger, der es mit Fantasy- und Horrorfilmen wie „Trollhunter“ bis nach Hollywood geschafft hat, baut gemeinsam mit den Autoren Dan und Kevin Hageman ein halbes Dutzend der Kurzgeschichten in eine fortlaufende Handlung ein, die am Retro-Look von Erfolgsproduktionen wie „Stranger Things“ und „Es“ andockt.

Wieder geht es zurück in die Vergangenheit, diesmal ins Jahr 1968. Eine US-Kleinstadt leuchtet in den warmen Farben des Herbstes, es ist Halloween. Die Kinder verkleiden sich und im Autokino läuft „Die Nacht der lebenden Toten“. Auch Stella (Zoe Margaret Colletti) und ihre Freunde Auggie (Gabriel Rush) und Chuck (Austin Zajur) drehen ihre Runde.

„Trick or treat!“, fordern die drei ein letztes Mal, bevor sie dafür nun wirklich zu alt sind. Mit einigen schnellen Strichen führen die Geschwister Hageman gekonnt ihre Protagonistinnen und Protagonisten ein: die sensible Horror-Enthusiastin, den ängstlichen Nerd und den Tollpatsch mit der großen Klappe. Das hat man alles schon gesehen – und dennoch funktioniert es dank des zügigen Erzähltempos und der Spielfreude der jungen Crew.

Die Angst vor dem Unbekannten

Das Autorenduo hat die Handlung nicht nur aus Gründen der Nostalgie in die Sechziger verlegt. Beide wollen nebenbei eine Geschichte über die Furcht vor dem Fremden erzählen. Jedenfalls ist der summer of love an der Kleinstadt des Films spurlos vorübergegangen. In den Einfamilienhäusern flimmern TV-Bilder vom Vietnamkrieg, Nixon wird zum Präsidenten gewählt, es herrscht Verunsicherung.

Chuck (Austin Zajur), Ramón ( Michael Garza) und Stella (Zoe Margaret Colletti).
Chuck (Austin Zajur), Ramón ( Michael Garza) und Stella (Zoe Margaret Colletti).

© eOne Germany

Ein junger Erwachsener auf der Durchreise wird wegen seines mexikanischen Aussehens vom Sheriff drangsaliert. Bevor Ramón (Michael Garza) jedoch das Weite sucht, schließt er Freundschaft mit Stella, Auggie und Chuck. Sie zeigen ihm das örtliche Spukhaus, schließlich ist Halloween. In dieser viktorianischen Villa, die verlassen am Stadtrand steht, finden sie das Buch, das ihnen zum Verhängnis wird. Es gehörte der Tochter der dort ansässigen Industriellenfamilie, die einst unter ungeklärten Umständen verschwand.

[In elf Berliner Kinos. OV: Cinestar Sony Center, OmU: Sputnik]

Anfangs mit Schwung, später mau

Spinnweben, knarzende Dielen, draußen der Wind, der durchs Maisfeld rauscht – bei „Scary Stories to Tell in the Dark“ fühlt man sich wie in einem permanenten Déjà-vu. Øvredal zitiert mit großer Zuneigung aus dem Genre-Schatz. Als schwieriger stellt sich das episodenhafte Erscheinen der Monster heraus. Wird die Rache einer geschundenen Vogelscheuche noch früh angedeutet, kommen spätere Heimsuchungen einfach aus dem Nichts. Dadurch mutet der Film zunehmend wie eine Nummernrevue an. Der anfängliche Schwung geht verloren.

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Gemäß der Buchvorlage bemüht sich der Regisseur, die Schocks für ein jüngeres Publikum verträglich zu machen. Er zeigt das Grauen früh, das da über die Gänge schlurft, Blut blendet er aus. Hartgesottene Horror-Fans dürften diese „Scary Stories“ als Kinderkram abtun. Hinter der Zurückhaltung steckt Kalkül. Der Film will die werbewirksame Klientel der Jugendlichen nicht vergraulen. Doch die Rechnung geht in Deutschland nur bedingt auf: Während in den USA schon 13-Jährige den Film schauen dürfen, ist er hierzulande erst ab 16 freigegeben.

Dennoch lugt hinter dem Charme der Inszenierung das Marketingmonster hervor, das eine weitere lukrative Filmreihe aus der Taufe heben will. Denn das Ende lässt keinen Zweifel: Da warten noch etliche „Scary Stories“ darauf, im Dunkel des Kinos erzählt zu werden.

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