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Die albtraumhaften Zeichnungen ihres Schülers beunruhigen die Lehrerin Julia (Keri Russell).

© Disney

Horrorfilm „Antlers“ im Kino: Böse Geister im Märchenwald

Zwischen Drogenkrise und wirtschaftlichem Niedergang: Im Horrorfilm "Antlers" wird eine amerikanische Kleinstadt von mehr als nur einem Dämon heimgesucht.

Von Andreas Busche

Manche Dinge sind besser abseits der Zivilisation aufgehoben. Das gilt für Virenstämme, die zoonotische Infektionskrankheiten übertragen, genauso wie für indigene Walddämonen, die Menschen in Kannibalen verwandeln. Aber der Mensch verfügt eben über einen kapitalistisch geprägten Expansionsdrang, kein Lebensraum ist vor ihm sicher – auch wenn sich das, was uns jenseits der Zivilisation erwartet, als ausgesprochen gefährlich erweisen kann. Die Drogenküchen in den Wäldern von Oregon, Amerikas neue final frontier, bergen ein Geheimnis, gegen das sich die grassierende Opioid-Krise geradezu harmlos ausnimmt.

Scott Coopers Wald-und-Wiesen-Horrorfilm „Antlers“, produziert von Guillermo del Toro ("The Shape of Water"), handelt von einer ökologischen und gesellschaftlichen Katastrophe. Die verwunschene Nordpazifikküste an der Grenze zu Kanada gilt als grüne Lunge Amerikas – und ist in der Popkultur als „Twin Peaks“–Territorium in Erinnerung geblieben. Nebelverhangene Wälder, dunkle Bergseen, eine rustikale Provinzialität: Doch der spezielle David-Lynch-Mystizismus fungierte schon damals nur als idyllisches Deckmäntelchen für typische Zivilisationskrankheiten. Der Horror, der auf diesem Nährboden gedeiht, ist menschengemacht.

„Antlers“ ist aber auch ein überfrachtetes Familiendrama. Die Lehrerin Julia (Keri Russell) kehrt nach Jahren an ihren Geburtsort zurück, an dem ihr entfremdeter Bruder Paul (Jesse Plemons) die Stelle des Sheriffs übernommen hat. Ein Kindheitstrauma verbindet die Geschwister, das unausgesprochen bleibt. Julias angespannter Blick wandert stumm über die Bierflaschen im Supermarkt, Paul ist das Unbehagen in ihrer Gegenwart an seiner verdrucksten Mimik abzulesen.

Genrespezialist Guillermo del Toro hat produziert

Gewissermaßen spezialisiert auf familiäre Dysfunkionen erkennt Julia sofort, das mit dem zwölfjährigen Lucas (Jeremy T. Thomas) in ihrer Klasse etwas nicht stimmt. Der verschlossene Junge sitzt apathisch im Unterricht oder malt gehörnte Monster in sein Notizheft, sein jüngerer Bruder kommt seit Tagen nicht mehr zu Schule. Derweil findet Paul in den Wäldern eine wachsende Zahl verstümmelter Tierkadaver, bald verschwindet auch die Schulleiterin. Ein Hausbesuch bestätigt Julias schlimmste Befürchtungen: Hinter der verrammelten Tür auf dem Dachboden haust etwas, das nicht menschlichen Ursprungs zu sein scheint.

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Die verstockte Körpersprache von Russell und Plemons ergänzt perfekt das Porträt einer verheerten Kleinstadt zwischen wirtschaftlichem Niedergang und Drogenkrise; das Lokalkolorit ist eines modernen Horrorfilms über Amerika durchaus würdig. Der deutsche Kameramann Florian Hoffmeister hat ein gutes Auge für die morbiden Braun- und Grüntöne, von denen sich die Figuren im Vordergrund kaum abheben. Für seinen ersten Horrorfilm hat der Genre-Regisseur Scott Cooper ("Feinde - Hostiles") die richtigen Leute gewinnen können, mit del Toro zudem einen ausgewiesenen Genrespezialisten. Das Problem ist eher das Drehbuch, das alle seine Themen bloß anreißt.

Der Veteran Graham Greene wird lediglich dafür gebraucht, um die Herkunft des Waldgeistes, der von den Menschen Besitz ergreift, zu erklären; die anderen indigenen Darsteller:innen bleiben Statisten. Für einen Film, der an die großen uramerikanischen Mythen anzuknüpfen versucht, etwas dürftig. Auch das Trauma des Kindesmissbrauchs wirkt als Horror-Topos inzwischen reichlich abgeschmackt. „Antlers“ hat seine besten Momente, wenn sich Cooper an klassischen „Akte X“-Folgen orientiert. Sein Dämon mit Hirschgeweih, der sein natürliches Habitat verteidigt, ist ein fantastisches „Monster of the Week“. (Seit Donnerstag in den Kinos)

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