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Ein Schokoladenlutscher mit einem Porträt von Hermann Hesse.

© picture alliance / dpa

Hommage an Hermann Hesse: Harry Haller Superstar

Hermann Hesse lesen? Daniel Kehlmann fände das schrecklich. Aber Elke Heidenreich, Antje Rávik Strubel und Leif Randt schwärmen in einem Buch für Hesse.

Neulich wurde Daniel Kehlmann im Rahmen der hübschen Kolumne „Was lesen Sie?“ in der „Süddeutschen Zeitung“ gefragt, welches Buch er einmal geliebt habe, inzwischen aber „schrecklich“ finde. Er antwortete, und es wirkte, als habe er nicht lange überlegen müssen: „Absolut alles von Hermann Hesse.“ Tatsächlich ist man bereit, das zu unterschreiben. Vielen Literatur-Aficionados geht es ähnlich, erst recht denen, die Hesse erst in ihren Zwanzigern gelesen haben, also zu spät, und so viele seiner Bücher grenzwertig fanden.

Doch scheint auch das Gegenteil der Fall zu sein, wie ein gerade in Hesses Hausverlag Suhrkamp erschienener Sammelband zeigt, „Inspiration Hermann Hesse. Eine Hommage in Geschichten.“ Die Herausgeberin Helga Esselborn-Krumbiegel betont in ihrem Vorwort, dass Hesse weiterhin allgegenwärtig sei, ob hierzulande, in den USA oder Japan, und sich seine Werke „tief ins kulturelle Gedächtnis der Schriftsteller, Leser und Leserinnen eingeprägt haben.“

Ordnungslose Reime

Also hat sie zwanzig Autoren und Autorinnen gebeten, sich von Hesse und seinen Büchern „inspirieren“ zu lassen, auf welche Weise auch immer. Herausgekommen ist ein Band mit Geschichten, die vielfältiger nicht sein können, mit den unterschiedlichsten Zugängen zu Hesse. Dabei war für viele, wie es scheint, der „Steppenwolf“ - Hauptfigur: Harry Haller - wohl am prägendsten, so häufig, wie er hier vorkommt oder genannt wird.

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Also erstmal ohne „Steppenwolf“: Elke Heidenreich schreibt über Hesse und die Musik, Alain Claude Sulzer paraliterarisiert die Erzählung „Dr. Knölges Ende“, Jens Sparschuh macht eine „Morgenlandfahrt“, Navid Kermani entdeckt im Materialienband zum „Glasperlenspiel“ die „Erinnerung an Hans“, die er tröstlich findet, dazu eine Versgeschichte, „die wahrscheinlich ebenso unbekannt ist und so klar, zauberhaft entrückt, wie Hesse mit dreiundachtzig schrieb, ordnungslos die Reime ein Jahr vor seinem Tod.“

["Inspiration Hermann Hesse" - Eine Hommage in Geschichten. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 246 Seiten, 20 €.]

Und weiter: Iris Wolff erinnert sich an Hesse, auch wenn ihr einiges an ihm „fremd“ geworden ist, immer noch voller Bewunderung. Für sie war Hesse der Autor, der ihr die Literatur „aufgeschlossen“, der sie, wie es im „Glasperlenspiel“ heißt, „ins Zentrum, ins Geheimnis und Innerste der Welt“ geführt habe; Antje Rávik Strubel hat im Hesse-Haus in Calw in Baden-Württemberg, die Begegnung mit einer Taube, und Andreas Maier kennt noch genau das „existentielle Haller-Gefühl“, das er seinerzeit im hessischen Bad Nauheim hatte.

Das Schöne an diesen Geschichten: Der Charakter ihrer Verfasserinnen und Verfasser kommt deutlich zum Vorschein, ihr Stil, ihr Verständnis von Literatur, als was sie diese begreifen, ihr jeweiliger Zugang. Leif Randt hat eine Geschichte geschrieben, die genau so in „Allegro Pastell“ stehen könnte, Dietmar Dath ist ganz bei sich selbst, und Andreas Maiers Text hätte gut auch in einen der Bände seiner „Ortsumgehung“ gepasst. Diese Hommage ist primär eine Geschichtenklasse für sich, und wenn sie in zweiter Linie zu erneuter Hesse-Lektüre animieren sollte:  Ach, warum denn nicht? Auch Daniel Kehlmann irrt sich bisweilen.

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