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Wandskulptur von Katja Strunz.

© Matthias Kolb

Hommage an Gordon Matta-Clark: Der schöne Raum

Der Salon Dahlmann zeigt eine Ausstellung, die sich um Gordon Matta-Clarks Projekt "Office Baroque" von 1977 rankt: von Vera Kox bis Wolfgang Tillmans.

Ein marodes Fußbodenstück, groß und tropfenförmig, wird durch ein Fenster im fünften Stock gehievt und auf die Straße gelassen – als wäre es edler Marmor. Dann schwenkt die Kamera auf die Lücken im Gebäude. Sie lässt den Blick durch mehrere Etagen fallen und tastet die rohe Bausubstanz ab. Es sind dramatische Perspektiven, dazwischen Gordon Matta-Clark, der mit Hammer, Flex und Kettensäge das Innere des Gebäudes nach außen öffnet: auf einen Hinterhof, Autos, den Himmel.

Mit seinen „Cuttings“ hat der 1978 verstorbene Architekt und Ausnahmekünstler ganze Häuser und deren akribisch sezierte Überreste zur Skulptur erhoben. Sein radikaler Einschnitt in den Raum, seine Verbindung von Kunst und Architektur hat nachfolgende Generationen bis heute beeinflusst. Der Salon Dahlmann stellt dem Film über Matta-Clarks Projekt „Office Baroque“ von 1977 zehn Positionen gegenüber: von Alvar Aaltos Modell der Bibliothek in Vyborg von 1933 bis zu aktuellen Werken von Thomas Scheibitz oder Sarah Oppenheimer. Timo Miettinen, finnischer Sammler und Hausherr, hat für die Ausstellung „Gordon Matta-Clark and Beyond. Space Interventions“ die Beletage seines Gründerzeithauses freigeräumt.

Fuhlbrügge schlägt einen Bogen von Charlotte Posenenske bis Vera Kox

Kuratorin Heike Fuhlbrügge verzichtet klugerweise auf Künstler, die den schönen Räumen zu Leibe rücken könnten. Die ästhetisch schärfste Trennlinie ziehen die Betonskulpturen von Jeroen Jacobs. Sie bilden einen Kontrapunkt zum edlen Parkett. Mit ihrer reizvollen Porosität verweist die neunteilige Installation vor allem auf die Zwischenräume. Es geht also mehr um sublime Transformationen, den Raum als Phänomen, als konkrete Interventionen, wie sie ein Gregor Schneider vornehmen würde. Fuhlbrügge schlägt einen Bogen von Charlotte Posenenskes Minimal-Relief „Diagonale Faltung“ von 1967 bis zu einem installativen Objekt von Vera Kox. Wie in einer Laborsituation aktiviert die Luxemburgerin den Raum zwischen zwei Glasscheiben mit lindgrünem Polyurethanschaum. Ihr Beitrag erinnert an das titelgebende, luxemburgische „Knätsch“: ein Kaugummi, das den Raum dehnt und zusammenzieht.

Dan Graham ist mit einer "Pyramide" präsent

Dan Graham, Zeitgenosse und künstlerischer Wegbegleiter Matta-Clarks, ist mit einer „Pyramide“ aus Spiegelglas und Aluminium von 1999 präsent, die durch ihre Reflexionen das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite ebenso einbezieht wie den Betrachter oder Jussi Nivas Ölbild „Foldaway“. Zugleich vervielfältigt sich die Pyramide auch inwendig. Gedreht und gekippt zu flirrend prismatischen Strukturen, entfaltet sie unendlich viel Raum. Den wähnte Heinrich Heine schon durch die Eisenbahn „getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig“.

Katja Strunz paraphrasiert des Dichters Kommentar mit zwei Luftballons an einem Metallkettchen. Straff aufgeblasen der eine, auf das Minimum geschrumpft der andere. „Viel Raum, wenig Zeit“ heißt das Objekt aus Epoxidharz, bei dem der kleine Ballon den großen nach unten zieht. Dass Fotografie Räumlichkeit nicht nur dokumentieren kann, beweist Wolfgang Tillmans’ Serie „Lighter“. Der Künstler lässt belichtete, abstrakte Fotopapiere mit ein, zwei Kniffen zur Skulptur werden. Fast so radikal wie Gordon Matta-Clark.

Salon Dahlmann, Marburger Str. 3, bis 23.8.; Sa 11–16 Uhr.

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