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Die Band Mania D. im Jahr 1980.

© Jutta Henglein

Hommage an die Bands Mania D., Malaria! und Matador: Kalte klare Kante

Das Festival „M_Dokumente“ erinnert mit einer Ausstellung, Konzerten und Talks an die legendären West-Berliner Bands Mania D., Malaria! und Matador, in denen nur Frauen spielten.

Nein, sie waren keine Nazis, ganz im Gegenteil, stellt Bettina Köster noch einmal klar. Sie sitzt auf dem Podium der Betonhalle im Silent Green in Wedding, um aus den wildbewegten Tagen der Postpunk-Ära Anfang der Achtziger zu berichten. Sie war selbst mittendrin in dieser Szene, zuerst als Teil der Berliner Band Mania D. und danach mit Malaria!.

Mit letzterer trat sie im angesagten New Yorker Club „Studio 54“ auf, alle trugen sie schwarze Stiefel und Reithosen. Da mussten wohl so einige an die Wiederkehr der deutschen Herrenmenschen gedacht haben, auch wenn da drei Frauen auf der Bühne standen. Und dann spielten sie auch noch am jüdischen Feiertag Jom Kippur, diese so übertrieben teutonisch aussehenden Deutschen. Das war ein echter Aufreger damals in New York, sagt Köster.

Kaputt-exaltierter Style

Sie sitzt auf der Bühne gemeinsam mit Gudrun Gut und Beate Bartel, die in den Achtzigern in drei West-Berliner Bands gespielt haben, in den beiden erwähnten und in Matador, wobei allein Gudrun Gut an allen drei Formationen beteiligt war. Die Namen dieser Bands fangen jeweils mit dem Buchstaben M an, weswegen die Veranstaltung, in deren Rahmen nun noch einmal von den alten Zeiten berichtet wird, „M_Dokumente“ heißt.

Vier Tage lang wird mit einer Ausstellung, mit Filmen und Konzerten an die Geschicke der M-Bands erinnert. Dazu erscheint noch ein fast 200 Seiten dicker Katalog und eine Doppel-CD mit einerseits Raritäten der M-Bands und Neubearbeitungen von Klassikern seitens junger Musikerinnen.

Blättert man den reich bebilderten Katalog durch und schaut sich die Ausstellung an, fällt der doch ziemlich spezielle Look auf, den die drei Frauen damals kultivierten. In der New-Wave-Zeit rannten zwar viele extravagant herum, besonders in West-Berlin. Aber dass sich hier Frauen mit ihren asymmetrischen Kurzhaarfrisuren, den schwarzen Lack- und Leder-Klamotten und greller Schminke solch einen kaputt-exaltierten Style zulegten, war schon außergewöhnlich. Und befremdete wohl auch andere Frauen.

Im Katalog berichten Gut und Köster von einem Auftritt 1980 mit Mania D. im Berliner Club Metropol bei einem Frauenfestival. Das Publikum habe wohl ein Blockflötenkonzert erwartet, so Gut, stattdessen standen da diese militärisch und aggressiv wirkenden Punks. Sie seien gnadenlos ausgepfiffen worden, so Gut, und eine Schlägerei habe es auch noch gegeben.

[Ausstellung und Konzerte, bis 24.10. im Silent Green, Gerichtstraße 35]

Nostalgieselige Veranstaltungen wie „„M_Dokumente“ können oft anstrengend sein. Eine Heldentat wird da an die nächste gereiht und im Nachhinein wirkt so manches spektakulärer als es wahrscheinlich war. Doch von übertriebenen Verklärungen wird man von den drei rüstigen Frauen, die allesamt inzwischen in ihren Sechzigern sind, zum Glück verschont.

Bettina Köster trägt einen Hoodie, auf dem „Rock“ steht, und gibt mit ihrer dunkel-verrauchten Stimme kaum eine Anekdote zum Besten, ohne diese noch mit einem kleinen Witz oder einem selbstironischen Schlenker zu versehen und danach herrlich dreckig zu lachen.

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„Oh, die sehen so gut aus“, haben die Leute damals über Mania D. gesagt, aber es sei immer noch hinzugefügt worden: „Doch ihre Musik ist so schrecklich.“ Dann erzählt sie, wie das vor gut 20 Jahren war, als die Kunstband Chicks on Speed mit einem Cover des Malaria!- Stücks „Kaltes klares Wasser“ einen Hit landeten. Sie fand die Version total schrecklich, sagt Köster. Alle hätten ihr gesagt, das habt ihr doch nur wegen des Geldes gemacht. „Ja, stimmt genau“, habe Köster dann immer geantwortet.

Auch Beate Bartel hat einen gut abgehangenen Humor. Als sie auf „Los Ninos Del Parque“ angesprochen wird, den New-Wave-Klassiker ihres Projekts Liaisons Dangereuses aus dem Jahr 1982, sagt sie: Ja, die Nummer lief damals oft in Szeneläden, aber mehr auch nicht. „Ein echter Hit war sie nie. Wäre es anders, dann würde ich heute nicht hier sitzen.“

Eine Wiedervereinigung für „M_Dokumente“ wird es von keiner der M-Bands geben. Alle drei Musikerinnen sind immer noch mit eigenen Projekten aktiv, für so etwas ist aktuell also keine Zeit. Andere werden an das Vermächtnis der drei erinnern, die damals mit ihrer Musik im Ausland bekannter waren als in Deutschland selbst, was auch nicht vielen hiesigen Künstlern und Künstlerinnen vergönnt ist. Mitglieder von Chicks On Speed werden auftreten, genauso Anika und Pilocka Krach. Die M-Bands, so die Message dieser Konzerte und von „M_Dokumente“ insgesamt, sind nicht vergessen.

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