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Szene aus dem Film "Isle of Dogs - Ataris Reise" von Regisseur Wes Anderson.

© Twentieth Century Fox/dpa

Hollywoods neues Streitthema: Hommage an Japan oder kulturelle Aneignung

Der Streit um die japanischen Hunde im Film „Isle of dogs“ von Wes Anderson ist zwar wichtig, sollte aber im Rahmen bleiben. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Max Tholl

In seinen Filmen erschafft der amerikanische Kult-Regisseur Wes Anderson einen eigenen Kosmos, den er mit kulturellen Referenzen und einer Menge Pastellfarben schmückt. Dafür ist er bekannt, dafür wird er geliebt. In seinem neuen Film „Isle of Dogs“, der seit letzter Woche in den deutschen Kinos zu sehen ist, zeigt Anderson ein dystopisches Japan der Zukunft, in dem alle Hunde auf eine entlegene Insel verbannt werden. Anderson bleibt seiner visuellen Ästhetik treu und bedient sich ausgiebig bei den bekannten kulturellen Charakteristiken Japans: Sushi, Sumo und Samurai. Gelungenes Kino nennen es die einen, kulturelle Aneignung die anderen. Dass die animierten Hunde – japanische Hunde! – von englischsprachigen Schauspielern gesprochen werden, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Sie wollen Andersons Film nicht als künstlerische Hommage verstanden wissen, sondern als kulturellen Missbrauch.

Anderson ist derzeit in guter Gesellschaft, im Tagestakt werden Vorwürfe kultureller Aneignung erhoben. Jüngst traf es auch die Eurovision-Gewinnerin Netta Barzilai, wegen ihres Auftrittes im Kimono. Oder Rihanna, die im Papstoutfit bei der Met Gala in New York alle Blicke auf sich zog. Darf die das? Ist sie überhaupt katholisch? Das Potenzial für Haarspalterei ist groß, aber die Diskussion wichtig. Denn hinter der Frage, wo die Grenze zwischen kultureller Freiheit und Aneignung verläuft, steht auch die Frage, wem welche Kultur gehört und wie offen der Umgang mit dieser sein kann.

Dass kulturelle Aneignung existiert und sie rassistische Vorurteile festigt und verbreitet, kann nicht in Abrede gestellt werden. Dass die Kritik daran aber mitunter ausufernde Dimensionen erreicht, ebenso wenig. Schon das Erlernen einer Fremdsprache wurde als kulturelle Aneignung bezeichnet.

Die ganze Welt mampft Burger, trinkt Kaffee bei Starbucks, guckt Hollywoodfilme, übernimmt englische Wörter, postet bei Facebook usw. Ich glaube, das hieß mal "amerikanischer Kulturimperialismus". Und jetzt machen sich die Amis sogar noch Sorgen, sie könnten aus Versehen etwas aus einer anderen Kultur übernehmen.

schreibt NutzerIn moarbiter

Kultur muss offen und wandelbar bleiben, für alle

Die Literaturwissenschaftlerin Anja Hertz nennt es in einem Beitrag in der Zeitschrift „ak – analyse & kritik“ eine „Argumentation, die nicht mehr zwischen rassistischer Karikatur und kulturellen Vermischungsprozessen unterscheidet und reaktionäre Vorstellungen von kultureller Reinheit impliziert“. Wer zum Beispiel weiße Menschen dafür kritisiert, Dreadlocks oder Kimono zu tragen, weil diese nicht Teil ihrer Kultur sind, setzt damit voraus, dass es Wesensmerkmale ethnischer Gruppen gibt, die für andere tabu sind. Verbote sollen die Kultur einer Minderheit vor der Einverleibung durch die Mehrheitsgesellschaft schützen, aber fördern dadurch auch ein falsches Verständnis von dem, was Kultur sein sollte: offen und wandelbar. Die Kehrseite von definierten Kulturgrenzen nennt sich dann hierzulande Leitkultur und hat einen recht üblen Beigeschmack.

Der Spagat, den es zu meistern gilt, besteht darin, die Befindlichkeiten der Betroffenen zu berücksichtigen ohne Kulturen mit Schutzwällen zu ummauern. Das Propagieren von Homogenität und Exklusivität steht dabei im Weg und dient am Ende noch Neurechten und Identitären als Legitimation für ihr geschlossenes Weltbild. Es ist nicht die Kritik an der kulturellen Aneignung an sich, die problematisch ist – ähnlich wie das Bestehen auf Politische Korrektheit nicht per se problematisch ist. Doch sie muss den Rahmen wahren. Denn Kulturen können nicht im Vakuum existieren, sondern nur im permanenten Austausch mit anderen.

Letztes Jahr sorgte ein Bild der Künstlerin Dana Schutz für erhitzte Gemüter. Das Gemälde „Open Casket“ ist eine abstrakte Zeichnung des toten Emmett Till, ein schwarzer Junge, der in den 1950er Jahren Opfer rassistischer Lynchjustiz wurde. Schwarze Künstler forderten die Zerstörung des Bildes, da Schutz sich als weiße Künstlerin nicht am schwarzen Leid als Rohmaterial für ihre Kunst bedienen dürfe.

Aber ist die Unterdrückung von Afro-Amerikanern nicht auch das beschämende Erbe des weißen Amerikas? Sollte Schutz nicht auch die Freiheit haben, sich dem Thema zu widmen, solange sie es auf respektvolle Art tut?

Wichtig ist, die Unterscheidung zwischen kultureller Aneignung und kulturellem Austausch nicht aus dem Blick zu verlieren. Sich bei fremden Kulturen zu bedienen, heißt nicht direkt diese zu verfälschen oder zu missbrauchen. Der Kontext heiligt in diesem Fall die Mittel. Die Gesellschaft wird bunter, ihre verschiedenen Kulturen müssen es auch werden. Dafür braucht es einen respektvollen Umgang mit fremden Kulturen und eine kritische Distanz zur eigenen.

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