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Wonder Woman musste dem Virus schon weichen, im kommenden Jahr werden 17 weitere Warner-Filme ihrem Beispiel folgen.

© Warner Bros

Hollywood und Streaming: Das Kino bleibt auch in Zukunft unersetzlich

Warner will seine Filme 2021 gleichzeitig auf der Leinwand und online zeigen. Sein Geschäftsmodell untergräbt das Studio mit diesem Schritt aber nicht.

Von Andreas Busche

Als Warner Bros. im Sommer mit einem Tusch „Tenet“ ins Kino brachte, war das auch als Signal der Hoffnung an die Filmbranche gemeint. Christopher Nolans Science-Fiction-Spektakel sollte das Publikum, mitten in der Pandemie (der amerikanische Präsident nannte Covid-19 immer noch eine „Grippe“), zurück vor die Leinwände holen. Das Traditionsstudio wollte mit gutem Beispiel vorangehen, nachdem Universal zuvor bereits in einem viel kritisierten Alleingang „Trolls World Tour“ direkt als „Video-on-Demand“ (VoD) angeboten hatte.

Das ist gerade vier Monate her, seitdem herrscht Ratlosigkeit in Hollywood. In einigen US-Metropolen ist „Tenet“ bis heute nicht im Kino zu sehen, der Blockbuster hat auf dem heimischen Markt nur 58 Millionen Dollar eingespielt. Zum Vergleich: Nolans erfolgreichster Film „The Dark Knight Rises“ setzte 2012 allein am Startwochenende 250 Millionen Dollar um. Warner hat sich verrechnet.

So konnte die Entscheidung, die Warner-CEO Ann Sarnoff am Donnerstag verkündete, alle für 2021 terminierten Filme gleichzeitig in die Kinos zu bringen (sofern diese geöffnet sind) und auf der eigenen Streamingplattform HBO Max anzubieten, kaum noch überraschen. Der Paradigmenwechsel war längst eingeleitet. Im November hatte Warner dieses Prozedere bereits mit dem mehrfach verschobenen „Wonder Woman 1984“ angekündigt, der Weihnachten in einem „day-and-date release“ veröffentlicht wird.

Zu den betroffenen Filmen für 2021 gehören unter anderem Denis Villeneuves „Dune“-Neuverfilmung, die Sequels „Matrix 4“ und „Godzilla vs. Kong“, das „Sopranos“-Prequel „The Many Saints of Newark“, aber auch prestigeträchtige Arthouse-Produktionen wie das Black-Panther-Drama „Judas and the Black Messiah“ oder der Broadway-Erfolg „In the Heights“. Damit ist die bislang sakrosankte Branchenregelung eines Zeitfensters zwischen Kinostart und DVD/VoD-Veröffentlichung, immer wieder ein Streitpunkt zwischen Verleihern und Kinobetreibern, bis auf Weiteres ausgehebelt. Ein Jahr, so Sarnoff, soll dieses Experiment dauern.

Schockwellen bis an die Wall Street

Die Nachricht verursachte Schockwellen in der Kinobranche, die bis an die Wall Street zu spüren waren. Die Entwicklung war allerdings absehbar. Schon im September brachte Disney seinen Streamingdienst Disney+ in Stellung, als das Studio die Realverfilmung von „Mulan“ ohne vorherigen Kinostart mit einem saftigen Aufpreis veröffentlichte. Am ersten Wochenende schossen die Abozahlen von Disney+ um 68 Prozent in die Höhe.

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Die Bezeichnung „Streaming War“ fiel zuletzt immer wieder, wenn es um die Konkurrenz von Hollywood und Netflix ging. Inzwischen greifen die großen Studios aber selbst ihr traditionelles Kerngeschäft, die Filmtheater, an. Streamingportale werden für Medienunternehmen wie Warner, Disney oder Comcast (Universal), die „nebenher“ auch Filme produzieren, auf lange Sicht unverzichtbar.

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Momentan ist unklar, ob „Wonder Woman 1984“ überhaupt in Deutschland zu sehen sein wird. Die Kinos sind Weihnachten zu, HBO Max wird erst im kommenden Jahr gestartet; zwar existieren Verträge zwischen Warner Media und Sky, die bislang aber nur für HBO-Produktionen gelten. Auf Nachfrage erklärte man bei Warner Deutschland nur, dass man sich weiter bemühe, „Wonder Woman 1984“ im Kino zu zeigen.

Serien sind für Streaming-Abos wichtiger

Die Studios werden die Pandemie weiter nutzen, um ihre Streamingplattformen attraktiver zu machen, mit exklusiven Inhalten. Wobei hier, auch das hat Disney gezeigt, Serien wichtiger sind als Filme. In puncto Abozahlen war der Star-Wars-Ableger „The Mandalorian“ um ein Vielfaches erfolgreicher als „Mulan“. Insofern sind die Reaktionen auf die Warner-Entscheidung ein wenig alarmistisch, im Gegenteil sollte die Branche aus dem Experiment neue Schlüsse ziehen.

Die Auflösung des „Veröffentlichungsfensters“ stellt nur eine weiter Etappe im kulturellen Wandel dar, nicht das Ende des Kinos. Filmtheater werden nicht verschwinden (einige sicher), schon weil die Studios die gewaltigen Einnahmen an den Kinokassen benötigen. Und weil es genug Menschen gibt, die das Kinoerlebnis einem Streamingabend vorziehen.

Denn auch das ist eine Tatsache: Die Studios unterschätzen ihr Publikum. Es wächst eine Generation heran, in deren Verständnis sich Filme und Serien, Kinos und Streaming nicht ausschließen. Portale wie Disney+ und HBO Max könnten hingegen ein Publikum ansprechen, das die Kinos mit ihren Angeboten ohnehin schon nicht mehr erreichen. Als ziemlich sicher gilt aber wohl, dass die Pandemie Entwicklungen beschleunigt, die unvermeidlich waren.

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