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Warten auf das Publikum. Vom 21. bis zum 23. April eröffnet die Hermitage in Amsterdam im Rahmen eines Pilotprojekts für Museumskarteninhaber ihre Ausstellung "Zaren und Ritter". Man hofft auf eine Öffnung Ende Mai.

© Evert Elzinga

Hollands Museen in Not: Es geht um die Existenz

Die Direktoren bitten in zum Teil spektakulären Aktionen verzweifelt um Spenden - die Hermitage Amsterdam schaltet dafür große Anzeigen

„Haltet die Hermitage offen“ steht in Großbuchstaben über dem Foto eines Mädchens, das das Gemälde „Caroussel in Zarskoje Selo“ (1843) von Horace Vernet betrachtet. Die Hermitage in Amsterdam ist ein gemeinnütziges Franchise-Unternehmen der Eremitage in St. Petersburg, das seit 16 Jahren spektakuläre Blockbuster-Ausstellungen zeigt, die in enger Zusammenarbeit mit den Sammlungen des Mutterhauses entstehen. Unter der ganzseitigen Anzeige im „NRC Handelsblad“ steht: „Wir brauchen Sie jetzt wirklich.“ Das Vernet-Gemälde hängt aktuell in der Ausstellung „Die Romanows im Bann der Ritter“, die im Winter 2020 nur vier Wochen zu sehen war.

Für die Hermitage ist das dramatisch. „16 Jahre lang haben wir auf eigenen Beinen gestanden – ohne Unterstützung durch den Staat. Wir haben immer auf eigenes Risiko gearbeitet“, sagt Direktorin Annabelle Birnie dem Tagesspiegel am Telefon. Durch die Pandemie ist ihr Haus gefährdet. Auch Konzerte finden seit einem Jahr nicht mehr statt. 2019 kamen noch 400 000 Besucher.

„Als Stiftung können wir nicht lange auf Staatshilfe warten, daher werden wir selbst aktiv,“ so Birnie, die hofft, bis zum 1. Mai eine Million Euro zusammenzubekommen", sagt Birnie. Die Stadt und der Staat haben inzwischen Unterstützung signalisiert. Vergangene Woche hat eine private Telefonaktion begonnen, bei der prominente Amsterdamer als „Botschafter“ der Hermitage in ihrem privaten Umfeld Menschen anrufen und um eine Spende bitten. Daneben gibt es Aufrufe über soziale Medien.

Die Hermitage ist auf eigene Einkünfte angewiesen. Daher hat sie über großformatieg Anzeigen um Spenden gebeten - eine Million Euro müssen bis zum 1. Mai eingeworben werden.
Die Hermitage ist auf eigene Einkünfte angewiesen. Daher hat sie über großformatieg Anzeigen um Spenden gebeten - eine Million Euro müssen bis zum 1. Mai eingeworben werden.

© Eva Bloem

Die Aktion der Hermitage ist die spektakulärste in den Niederlanden, um den durch Corona entstandenen Schaden abzufangen. Der „Rat für Kultur“, das offizielle Beratungsorgan der Regierung, hat in seinem neusten Bericht am Donnerstag eine Erhöhung des gesamten Kulturbudgets um mindestens 477 Millionen Euro gefordert plus 83 Millionen für Nebenkosten. Der Staat gibt momentan gerade einmal eine Milliarde Euro für Kultur aus, das sind 0,3 Prozent des Gesamthaushalts, obwohl der Kultursektor 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Die staatlichen Ausgaben für Kultur sind in den Niederlanden traditionell niedriger als in Deutschland. Auch deshalb haben es die Museen gerade schwer.

2019 war ein Rekordjahr für die Museen - und dann kam Corona

Die „Museumvereniging“ vertritt über 400 Museen im ganzen Land, die 95 Prozent aller Museumsbesucher anziehen. 2019 war ein Rekordjahr, die Museen erwirtschafteten rund 1,1 Milliarden Euro mit 33 Millionen Museumsbesuchen. Allein die „Museumkaart“ brachte 9,3 Millionen Museumsbesuche, Tendenz steigend. Die Hälfte des Umsatzes kam aus staatlicher Subvention, die andere Hälfte wurde durch Kartenverkauf, Museumsshop, Gastronomie, Vermietung und Spenden erwirtschaftet. Allerdings sind die Subventionen des Staates seit 2011 eingefroren.

2020 waren die Museen insgesamt drei Monate lang geschlossen, in diesem Jahr haben sie noch gar nicht geöffnet. „Das bedeutet bei Schließung für alle unsere Museen einen Verlust von zehn Millionen Euro pro Woche“, bilanziert Janneke Visser von der „Museumvereniging“. Die Regierung gab 2020 für den ganzen Kultursektor 300 Millionen Euro Corona-Hilfen, für das erste Halbjahr 2021 noch einmal 482 Millionen Euro, zum Teil muss das Geld zurückgezahlt werden.

„Ohne diese Unterstützung hätten 25 Prozent unserer Museen schließen müssen. Wenn die Zuschüsse ab 1. Juli wirklich gestoppt werden sollten, geht es um die Existenz“, warnt Visser. Seit der Wirtschaftskrise 2008 weiß man, dass Museen sich nur langsam erholen, damals dauerte es bis 2013. „Wir wissen also schon jetzt, dass die sehr ernste Lage noch Jahre andauern wird“, sagt Visser. Wenn die Museen auch nach dem 26. Mai nicht öffnen dürfen, gehen sie harten Zeiten entgegen.

In einem Pilotprojekt werden jetzt vom 21. bis 23. April 37 000 Tickets für Inhaber einer "Museumkaart" für 17 Museen angeboten, um Öffnungsmodalitäten zu testen. Die teilnehmenden Museen sind über das ganze Land verstreut und bieten einen gratis Schnelltest an.

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