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Alte Pracht. Der große Wintersalon im Palais Sursock unmittelbar nach der Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020.

©  photo@restART Beirut

Hoffnung nach der Explosion: Beirut baut das zerstörte Palais Sursock wieder auf

Die Residenz aus dem 19. Jahrhundert wurde bei der Explosion im Hafen schwer beschädigt. Nun soll sie zum Symbol des kulturellen Wiederaufbaus in Beirut werden.

Die verheerende Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 hat nicht nur den Libanon erschüttert, sondern weltweit Entsetzen ausgelöst. Über 200 Tote und Tausende von Verletzten hatte die Explosion zur Folge, 300 000 Menschen wurden obdachlos. Das Ausmaß der Zerstörungen hat das der fünfzehn Jahre Bürgerkrieg bei weitem übertroffen. Zu dem menschlichen Leid kam die Beschädigung und Zerstörung wertvoller historischer Bausubstanz.

„Als wir diese Bilder sahen, hatten wir den Wunsch, etwas zu tun und zu helfen“, erzählt Didier Goossens im Videocall aus Luxemburg. Goossens ist Leiter der Kommunikationsabteilung des Nationalen Forschungsfonds Luxemburg, davor war er zehn Jahre lang im klassischen Konzertbetrieb tätig. Zusammen mit Bekannten in Paris, London, Lausanne und Beirut gründete er die Stiftung RestART unter dem Dach der König Baudouin Stiftung, um zum Erhalt des kulturellen Erbes Beiruts beizutragen, zu dem sie alle einen Bezug haben. Auf der Suche nach einem sinnvollen Objekt für ihre Bemühungen stießen sie auf Anregung von Anna-Marie Afeiche, der Direktorin des Nationalmuseums Beirut, auf das Palais Sursock. Es liegt im christlichen Viertel Ashrafiyeh unweit des Explosionsortes.

Das Palais Sursock wird von einem ausgedehnten Park umgeben. Mit seiner großartigen Kunstsammlung verkörpert es die Seele Beiruts, das, was diese Stadt einst als Paris des Nahen Ostens berühmt gemacht hat. 1860 hatte Moussa Sursock die Residenz seiner Familie vollendet. Die ursprünglich griechisch-orthodoxe Familie aus Konstantinopel hatte sich im 18. Jahrhundert in Beirut niedergelassen und im Osmanischen Reich mit dem Getreidehandel ein Vermögen verdient.

Durch strategische Heiraten knüpften sie ein enges Netz zwischen Alexandria, Kairo, Paris und Neapel. Sultan Abdulhamid II. und auch Franz Josef I. von Österreich waren einst zu Gast in dem Palais. Lady Sursock, Tochter des griechisch-orthodoxen Aristokraten Alfred Bey Sursock, heiratete den irischen Geschäftsmann Desmond Cochrane, dessen Großvater ein Vermögen mit Ginger Ale und Mineralwasser gemacht hatte. „Der Palast ist eines der wenigen Gebäude aus dieser Glanzepoche Beiruts. Die üppigen Gärten sind einer der wenigen grünen Flecken zwischen den Wohntürmen, die überall emporgeschossen sind“, erzählt Goossens.

Die König Baudouin Stiftung erkannte, dass es im öffentlichen Interesse liege, dieses einmalige Ensemble mit seiner reichhaltigen Kunstsammlung zu erhalten. Mit seiner Architektur aus osmanischen und italienischen Elementen ist es eine Brücke zwischen dem Westen und dem Orient. Allerdings müsste der Palast in eine Stiftung und in ein Privatmuseum überführt werden, damit Spendengelder aus dem Ausland fließen können. Der Familie wird zwar Wohnrecht im ersten Stock eingeräumt, aber das Erdgeschoss wird zum Museum und die Gärten werden der Öffentlichkeit zugänglich sein. Der Palast soll ein Kulturzentrum mit Künstlerworkshops, Residenzen, Lesungen, Ausstellungen und Konzerten werden, ein Ort zur Wiederbelebung der lokalen Kulturszene. Aber zunächst gehe es um die Sicherung des Bauwerkes, sagt Goossens.

Die Schäden waren immens

„Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen der Wiederherstellung des kulturellen Erbes wird als innovativer Anreiz für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Bildung gesehen und ist mit einem breiten Spektrum traditioneller und innovativer Industrien verbunden“, heißt es auf der Website von RestART. Das fördere auch die lokale Wirtschaft.

Die Schäden im Palais waren immens. Fensterscheiben sind geborsten. Überall liegt Schutt auf der Erde, Bilder sind im Rahmen verbrannt. Wo einst in der holzvertäfelten Bibliothek schwere rote Sessel zum Lesen einluden, lag der Schutt des Daches, von der Bibliothek konnte man in den blauen Beiruter Himmel schauen.

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Es ist tragisch, dass ausgerechnet Lady Yvonne Sursock Cochrane, eine berühmte Mäzenin und Vorkämpferin für den Erhalt der historischen Bausubstanz von Beirut seit den sechziger Jahren, auf dem Balkon saß, als sich die Explosion ereignete. Sie wurde schwer verletzt und starb mit 98 Jahren. Stets hatte sie darauf hingewiesen, dass beim Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg unendlich viel historische Bausubstanz verloren ging.

Beirut braucht Symbole des Neuanfangs

Obwohl die Familie Sursock Cochrane zum alten Adel Beiruts gehört, übersteigen die Restaurierungskosten von rund sechs Millionen Dollar die Kräfte der Familie, die das Haus durch zwei Weltkriege und den 15 Jahre währenden libanesischen Bürgerkrieg sicher navigiert hat. Das Dach ist dank einer Spende des niederländischen Prins Claus Fonds repariert, viele Gemälde sind verpackt und gesichert. In Mailand werden einige Gemälde restauriert, und ein Kunsthistoriker des University Colleges London hat geholfen, die ganze Sammlung an Möbeln, Kunstobjekten und Gemälden zu katalogisieren.

Man könnte einwenden, dass dies eine recht luxuriöse Anstrengung in einer dermaßen zerstörten und von der Krise gebeutelten Stadt ist, in der die Korruption blüht. Doch Joseph el Hayek, einer der Gründer von RestART, versichert: „Diese Stadt hungert nach mehr Grün und öffentlichen Räumen“.

Beirut braucht Symbole des Neuanfangs, des Wiederaufbaus. Die Rettung des Palais Sursock soll zeigen, wie wichtig das kulturelle Erbe für die Seele einer Stadt und eines Landes ist, das in einer tiefen Krise steckt, in dem der Staat völlig versagt hat und in der Wahrnehmung der Bürger nicht existent ist. In Zukunft will RestART die Sanierung des Opernhauses von Beirut angehen, weitere internationale Projekte in der Hauptstadt des Libanon sind geplant.

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