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Taoistische Papierkunst. Ein Fabelwesen aus der Feder von Zhang Xu Zahn.

© Zhang Xu Zhan, courtesy of the artist and Project Fulfill Art Space

Höhepunkte der Art Week: Die Stars von morgen im Palais Populaire

Hip Hop, taiwanesische Tänze und Papptiere: Der Palais Populaire stellt zur Art Week spannende internationale Nachwuchskünstler vor.

Zeitungspapier hat eine lange Tradition in der taoistischen Papierkunst. Aus einer Familie stammend, die seit Generationen aufwändig verzierte Pappmachéfiguren für religiöse Zeremonien und Beerdigungsrituale herstellt, verwandelt der taiwanesische Künstler Zhang Xu Zhan seine papiernen Tierkreaturen zu Protagonisten surrealer Slow-Motion-Filme. Er ist einer von erstmals drei Preisträgern, die gleichzeitig zum „Artist of the Year“ gewählt wurden. Die renommierte Auszeichnung der Deutschen Bank wird in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben.

Xu Zhan wuchs in einer Zeit auf, in der das Familienunternehmen durch gesteigerte Massenproduktion und veränderte religiöse Überzeugung im Niedergang begriffen war. Seine Serie „Animal Story“ kombiniert überkommenes Kunsthandwerk mit zeitgenössischen Technologien, universelle Mythen mit der fernöstlichen Kultur taiwanesischer Tänze und Riten. Im Palais Populaire hat er sein von Fabelwesen und musizierenden Tieren bevölkertes künstlerisches Zwischenreich als raumgreifende Installation inszeniert.

Vor einem biografischen Hintergrund muss auch das Werk des zweiten Preisträgers Maxwell Alexandre gelesen werden. Er wuchs in einer der größten Favelas Rio de Janeiros auf, wo er heute noch lebt. Die Ästhetik von Street Art und Wandmalereien bestimmt die Bildsprache seiner stark politisierenden Tableaus, gefüllt mit Referenzen zur brasilianischen Populärkultur, spirituellen Motiven und Szenen aus seinem alltäglichen Lebensumfeld.

[Palais Populaire, Unter den Linden 5, 16. 9. bis 7. 2., Mi bis Mo 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr.]

Auch die Hip-Hop-Musik findet einen malerischen Widerhall. In der ausgestellten 24-teiligen Serie von Papierarbeiten variiert Alexandre das Covermotiv des südamerikanischen Forbes Magazins, das ihn 2019 als einzigen Schwarzen zu einem der neunzig erfolgreichsten Brasilianer unter dreißig kürte.

Wer dominiert hier wen?

Mit flüssiger Schuhpolitur malt er die vier Protagonisten des Umschlags, darunter er selbst, immer wieder ab und variiert nur jeweils die Schattierung der Haut. Die Verwendung von braunem Packpapier anstelle des „neutralen“ weißen Bildgrundes spielt mit eben diesen tradierten Konnotationen von „farbig“ und „weiß“. Als Brasilianer mit afrikanischen Wurzeln reflektiert Alexandre seine afrodiasporische Identität, systemischen Rassismus und Privilegien.

Gesellschaftsstudien im weiteren Sinn sind auch die Werke der Berlinerin Conny Maier. Sie gilt als eine der aktuell wichtigsten Entdeckungen der Malereiszene. Ihr für die Ausstellung im Prinzessinnenpalais produziertes großformatiges Triptychon „Dominieren“ setzt sich aus verschiebbaren Leinwänden zusammen. Dargestellt sind Ross und Reiter vor einer mystischen Waldkulisse, die in ihrer farbigen Expressivität an die Brücke-Malerei erinnert.

Doch wer dominiert hier wen? Je nach Reihenfolge der Leinwände, ergibt sich ein anderes Narrativ von Macht und Unterwerfung, vom ewigen Widerstreit zwischen Mensch und Natur. Unverkennbares Markenzeichen Maiers sind die immer gleichen, teilweise skurril verrenkten und entindividualisierten Figuren mit wulstig geöffneten Mündern und leeren Augenhöhlen. Durch die Verwendung christlicher Symbolik wie Schlange oder Apfel in den gezeigten Arbeiten entwirft Maier das dystopische Bild einer bereits verlorenen heilen Welt.

Bei allem zur Schau gestellten Skeptizismus gegenüber der Conditio humana in diesen prekären Zeiten, entkommen die drei Preisträger der üblichen gesellschaftskritischen Doktrin – und wechseln die Perspektive.

Anne Haun-Efremides

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