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Tony Craggs Zeichnung „Chromosomes“ von 2005.

© Michael Richter, VG Bild-Kunst

Höhepunkte der Art Week: Bei Tony Cragg schießt die Farbe empor wie Lava

Der Bildhauer zeigt zur Art Week lustige „Potato Heads“, schwarz-weiße Naturzeichnungen und gibt Einblicke in sein chaotisches Denken. Über 200 Werke sind zu bestaunen.

Weltweit ist der Bildhauer Tony Cragg präsent, in Berlin muss man ihn suchen. Liegt es daran, dass es die Hauptstadt mit Skulpturen im öffentlichen Raum nicht so hat? Vor dem Haus am Waldsee draußen in Zehlendorf immerhin steht seit einiger Zeit ein Cragg-Gebilde, an den faltigen Formen und der gedrängten Masse leicht zu erkennen. Dort lässt sich dieser Künstler nun endlich ausführlicher und durchaus intim betrachten.

„Drawing as Continuum“: Die Ausstellung versammelt über 200 Zeichnungen, Aquarelle und Lithographien. Dazu sind Skulpturen aus Bronze und Glas so platziert, dass sie die zeichnerischen Linien aufnehmen. Cragg arbeitet regelmäßig und leidenschaftlich mit dem Bleistift. Strudel, Wirbel, Verzweigungen, „wie es in meinem Kopf aussieht“, sagt er bei einem Rundgang durch die lichten Räume. Cragg hat bis zuletzt an der Auswahl gearbeitet. Ihn faszinieren natürliche Strukturen, und was wie Abstraktion wirkt, ist ein Ausschnitt aus der Realität, die wir immer nur fragmentarisch wahrnehmen.

[Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 17. 9. bis 9. 1., Di bis So 11 – 18 Uhr.]

Im Erdgeschoss, in einem Nebenraum, steht die größte Bronze: Unzählige Tony-Tony-Cragg-Konterfeis formen einen riesigen Cluster, eine Traube. Egotrip oder Selbstironisierung? Dass Cragg, geboren 1949 in Liverpool und seit vielen Jahren in Wuppertal lebend, einen guten Humor besitzt, zeigt die frühe Arbeit im Eingangsbereich: eine Serie von „Potato Heads“, lustige Typen aus einem Kinderspiel. „Eine Antwort damals auf Warhols Marilyn“, sagt Cragg.

Die Zeichnungen sind durchweg schwarz-weiß, Konzentrationsübungen, Studien zum bildhauerischen Werk, vieles eigenständige Kommunikation mit Fauna und Flora; Insekten, Blätter, Hecken. In der oberen Etage am Waldsee schießt die Farbe ein, wie fließende Lava, Kohlenqualm, auch urbane Strukturen, bis zu den neuesten Arbeiten, die sich mit der Darstellung von Algorithmen und künstlicher Intelligenz beschäftigen. Tony Cragg lässt Energien fließen, hier gehört alles zusammen nach einem kosmischen Prinzip, was ein wenig an Joseph Beuys erinnert. Meteorit? Felsen im Meer? Zwei Köpfe, ineinander gedreht: Craggs Skulpturen führen ein bewegtes Leben.

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