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Fremdenlegionär bei einer Parade. Der Romanheld war in der Legion.

© picture alliance / dpa

Historischer Krimi "Die Rote Hand": Terror im Wirtschaftswunderland

Kämpfe, auch wenn du keine Chance hast. Jürgen Heimbachs phänomenaler Thriller „Die Rote Hand“ spielt 1959 in Frankfurt

Der Krieg ist noch nicht sehr lange vorbei, man kann ihn immer noch spüren, beinahe riechen und schmecken. Die Oper liegt in Trümmern, Frankfurt wirkt an einigen Ecken nicht wie eine Großstadt, sondern eher dörflich. Streich steht auf der Plattform der Tram, auf der man rauchen darf. Sie rattert durch schmale Gassen, vorbei an windschiefen Häusern, manche von ihnen aus Fachwerk. Über den Main geht es nach Sachsenhausen. Je näher die Galopprennbahn kommt, desto mehr nimmt der Verkehr zu. Ford Taunus, Opel Kapitän, dazwischen amerikanische Straßenkreuzer. Ein Gutbrod, kaum größer als eine Seifenkiste, steht mit geöffneter Motorhaube am Straßenrand.

Angst vor Drei-Finger-Diether

Streich schaut sich um, er glaubt, dass er verfolgt wird. Aber von wem? Von Drei-Finger-Diether, dem Zuhälter, mit dem er sich im Puff angelegt hat? Von den Schergen der Wettmafia, die Schulden eintreiben wollen? Oder von den beiden Männern mit französischem Akzent, die überall nach ihm fragen? Jürgen Heimbachs Thriller „Die Rote Hand“ spielt 1959. Streich, sein vornamenloser Held, war in der Fremdenlegion. Wirklich zurück ist er nicht, er bleibt Soldat, jederzeit kampfbereit. Sein Job: Wachmann eines Garagenhofes, der bald abgerissen werden soll. Er raucht Zigaretten der Marke Morris, hört immer wieder dasselbe Chanson der Piaf: „Mon légionnaire“. Und dann kreuzen die beiden Fremden bei ihm auf, mit einem Angebot. 4000 Mark für ein paar Informationen über einen Geschäftsmann, der seine Limousine in der Garage abstellt.

Bomben gegen Waffenhändler

„La Main Rouge“ – die Rote Hand – gab es tatsächlich. Die Terrororganisation des französischen Geheimdienstes verübte Attentate auf Waffenhändler, die Algeriens Nationale Befreiungsfront belieferten. Heimbach hat aus dem Stoff einen phänomenal guten Kriminalroman gemacht. Sein Buch, im Original bei Weissbooks erschienen, wurde vor Kurzem mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet, der wichtigsten Ehrung für deutschsprachige Krimis. Streich, der wortkarge Einzelkämpfer, lehnt sich gegen sein Schicksal auf, auch wenn er kaum eine Chance hat. Und er findet eine Mission, in Form eines kleinen Mädchens, das gerettet werden muss.

Das große Vergessen

Vier-auf-einen-Streich wird der Held von alten Kameraden genannt, weil er im Indochinakrieg einmal vier Viet-Minh-Soldaten nacheinander umbrachte. Streich wurde gefoltert und hat gefoltert, die Erinnerungen verfolgen ihn. „Die Rote Hand“ erzählt von kaputten Menschen in einer Zeit, in der die Wohlstandsfassaden wachsen und keiner mehr etwas von der Vergangenheit wissen will. Das „Domicile du jazz“ wird für Streich und das Mädchen zur Fluchtburg. In dem Kellerlokal singt Inge Brandenburg, die damals gefeierte, später vergessene Jazzdiva, „That Old Black Magic“, ein Lied über ein Verhängnis, das man Liebe nennt (Jürgen Heimbach: Die Rote Hand. Kriminalroman. Unionsverlag, Zürich 2020. 283 Seiten, 13,95 €).

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