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Kultur: Himmlische Summen

Weltrekord: Hans Holbeins Schutzmantelmadonna wechselt den Besitzer – für über 40 Millionen Euro

Die Figur mit der scharlachroten Strumpfhose, vorne links im Bild, die mit dem zweiten Knaben mit lockigem Haar, wer ist das eigentlich? Und wo hing das Gemälde ursprünglich, in der Hauskapelle des Stifters oder in einer Baseler Kirche? Es gibt viele Rätsel um die Holbein-Madonna, die am Mittwoch für deutlich über 40 Millionen Euro den Besitzer wechselte. Eine Rekordsumme: Gemunkelt wird von einem Preis knapp unter 60 Millionen, für den die hessische Landgrafenfamilie die „Schutzmantelmadonna“ von Hans Holbein dem Jüngeren (1497 -1543) an den baden-württembergischen Unternehmer Reinhold Würth verkauft hat (Porträt S. 6). Sie hängt nun nur noch bis zum 24. Juli im Frankfurter Städel.

Fest steht: Es ist ein Hauptwerk der Renaissance des Nordens, eine meisterliche Liaison italienischer Renaissance- mit nordeuropäischer Porträtmalerei. Die ausklügelte Figurenkonstellation, die Blick- und Farbdramaturgie machen es zu einem der bedeutendsten europäischen Gemälde des 16. Jahrhunderts. Kunsthistoriker vermuten darin ein katholisches Manifest, ein gemaltes Glaubensbekenntnis des Stifters. Der Basler Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen gab das großformatige Gemälde 1526 bei Hans Holbein in Auftrag, womöglich als fromme Protestnote gegen die Reformation. Links kniet er selbst und blickt zur Jungfrau mit dem Jesuskind hoch, gegenüber seine Tochter, seine verstorbene und seine zweite Frau. Die Muttergottes breitet über alle ihren großen Mantel aus.

Die „Madonna von Darmstadt“ war im 19. Jahrhundert in den Besitz der Großherzöge von Hessen und bei Rhein gelangt. Deren Erben hatten sie dem Städel als Dauerleihgabe überantwortet. Ein Konsortium unter Leitung des Museums hatte mitgeboten, als die Adelsfamilie mit ihren seit 2002 bekundeten Verkaufsabsichten ernst machte. Aber Reinhold Würth stach das mithilfe des Landes und privater Spendenzusagen untermauerte öffentliche Gebot von 40 Millionen Euro aus. Zum großen Bedauern von Städel-Direktor Max Hollein ist auch der Plan, das Bild gemeinsam mit Würth zu erwerben, gescheitert.

Ein derart bedeutender nationaler Kunstschatz in privatem Besitz? Dass Adelshäuser oder ihre Erben wertvolles Kulturgut und Baudenkmäler besitzen und schützen, ist selbst längst Teil der Kunstgeschichte. Ein Eigentum, das verpflichtet: Auch deshalb braucht die Adelsfamilie Geld, für Erbschaftssteuer, Gebäudeerhaltungs- und Restaurierungskosten.

Ohnehin darf die Holbein-Madonna Deutschland nicht verlassen. Hier greift das Kulturgutschutzgesetz. Was sich in Privatbesitz befindet und auf der Liste national wertvoller Kulturgüter verzeichnet ist (kulturgutschutz-deutschland.de), darf nicht ins Ausland verbracht werden. Trotzdem gelangte Adolph von Menzels „Nachmittag im Tuileriengarten“ 2005 von Dresden an die Londoner National Gallery – weil sie der Galerie Neuer Meister gehörte und erst über ein Restitutionsverfahren wieder in Privatbesitz gelangt war. Über die Aufnahme auch öffentlichen Kulturguts in das Verzeichnis wird seit langem gestritten.

Immer wieder können die großen Museen der Welt in Zeiten öffentlicher Armut den Erwerb von Kunstschätzen über Spenden finanzieren. Das ist dem Städel trotz des großen Kraftakts nicht gelungen. Aber der Öffentlichkeit entzogen wird die Holbein-Madonna wohl kaum. Das Bild wird auch künftig oft in Frankfurt zu sehen sein, ließ Würth versichern. Und man mutmaßt, das Werk werde demnächst in der Johanniterhalle in Schwäbisch Hall zu Hause sein, jener zum Museum umgebauten Kirche, in der Würth seinen Bestand Alter Meister präsentiert. Dann stünde der Himmelsgöttin nur ein Umzug von Hessen nach Baden-Württemberg bevor – in Richtung ihrer alten Basler Heimat. Christiane Peitz (mit dpa)

Christiane Peitz (mit dpa)

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