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"Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson: Ich bin stolz, ein Hobbit zu sein

„Die Rückkehr des Königs“: Peter Jackson vollendet sein neunstündiges Kino-Märchen „Herr der Ringe“. Eine Begegnung mit dem Regisseur – und der Blick auf den Film

Peter Jacksons Füße fleischig zu nennen, wäre eine höfliche Untertreibung. Den ganzen Mann fleischig zu nennen, ebenfalls. Der Regisseur aus Neuseeland räkelt sich barfuß im Sessel. Aus seinen Shorts kommen kräftige Waden, unterm T-Shirt wölbt sich ein schöner Bauch, am Halsausschnitt grüßt der Brustpelz. Die Klimaanlage bläst eine leichte Brise durch den Raum. Mister Jackson, frieren Sie nicht? „Oh, nein. Überhaupt nicht. Wenn ich jetzt rausginge, würde ich vielleicht Schuhe anziehen. Es ist etwas kühl draußen. Aber hier drin ist es gemütlich!“

Draußen: Charlottenstraße in Berlin Mitte. Vor dem Hotel Four Seasons stehen Sicherheitsleute, eiserne Absperrgitter und eine Flotte Phaetons. Auf den Fluren: TV- Teams, die Ausrüstung durch die Gänge wuchten. Aufgeregt telefonierende Menschen. Drin: Das ist Zimmer 301 mit Peter Jackson.

Seit ein paar Tagen macht die Publicity-Karawane für den letzten Teil der Trilogie „Der Herr der Ringe“ Station in Berlin. Zuvor gab es die triumphale Premiere mit Straßenparade in Jacksons Heimat Neuseeland. Dann ein press junket für die USA in Los Angeles. Letztes Wochenende saß Hauptdarsteller Elijah Wood bei Gottschalk auf dem Sofa.

Peter Jackson wird wegen seines Äußeren gelegentlich als Chef-Hobbit bezeichnet. Er kokettiert gern damit. „Ich bin stolz, ein Hobbit zu sein“, sagt er. „Ich finde sie sehr sympathisch. Sie lehnen sich gern zurück, machen ein Nickerchen, legen die Füße hoch, trinken Bier. Alles gute Sachen.“ Jackson fängt bei diesen Worten an, den Hobbit zu machen, er streckt sich, gähnt. Kleine schauspielerische Einlage. Tatsächlich hat Jackson auch in dieser Folge des Rings einen versteckten Auftritt.

Worum geht es in „Die Rückkehr des Königs“? Bevor Elben und Hobbits ihre Gelatine-Ohren ablegen können, muss der Ring korrekt im Vulkan von Mordor entsorgt werden. Außerdem müssen sich die beiden Königreiche Rohan und Gondor zusammenraufen, deren diplomatischer Verkehr gestört war. Und Aragorn, der seine Thronfolge bislang nicht antreten wollte, muss Frieden schließen mit einer Armee von Toten, die seine Vorfahren einst verraten haben. Die finale Schlacht übertrifft die des zweiten Teils and Länge und Heftigkeit. Es wird wieder viel heiliges Blech geredet und aufeinander geschlagen. Die ganze Packung, drei Stunden lang Krieg in Mittelerde, ohne nennenswerte Überraschungen. Wie jedes Jahr, wie in „Die Gefährten“ und „Die zwei Türme“. Es gibt neue Flugsaurier, Kampfelefanten und eine besonders eklige Riesenspinne aus dem Labor des Dr. Jackson. Und es gibt wieder Elijah Wood als Frodo, Liv Tyler als Arwen, Ian McKellen als Zauberer Gandalf und Viggo Mortensen als Aragorn.

Nur: Die bösen Buben verschwinden sang- und klanglos. Wo bitte ist Saruman, gespielt von Christopher Lee, geblieben? „Lee war in Teil 3 nie vorgesehen“, sagt Jackson. „Er stand eigentlich gar nicht im Skript.“ Es gab eine etwa sieben Minuten lange Szene, die vom zweiten Teil übrig war. Jackson wollte sie in den dritten Teil retten. Aber sie flog auch dort raus.

Jackson, der Hobbit, der Verspielte. Und Jackson, der präzise, effiziente Regisseur: Im „Auenland“ wurde schon ein Jahr vor Beginn der Dreharbeiten Gemüse angepflanzt, damit das Hobbit-Dorf bewohnt wirkte. Jackson beschäftigte vier Vollzeit-Kettenhemden-Techniker, von Schmieden und Hobbit-Fußanpassern gar nicht zu reden. Seinen Special Effects eilt der Ruf voraus, nicht nur gut, sondern auch preiswert zu sein. „Sie kosten nur ein Drittel dessen, was sie in den USA kosten würden“, sagt er. Jacksons Produktionsfirma hat eine bemerkenswerte Software mit dem Namen „Massive“ entwickelt. In Massenszenen – davon gibt es auch diesmal wieder reichlich – hat jede Computerfigur eine Art eigener künstlicher Intelligenz. Sie verhält sich autonom und unvorhergesehen. Deshalb muss nicht jedes Männeken eigens neu berechnet werden. Beinahe egal also, ob 10000 oder wie jetzt im dritten Teil 200000 Orks in die Schlacht ziehen.

Es ist das dritte Mal, dass der „Herr der Ringe“ zum cineastischen Jahresendritual erhoben wird. Doch anders als die Sequels von „Matrix“ oder „Terminator“, hat die „Ring“Trilogie einen Vorteil: die Story. Hundert Millionen Menschen haben sie gelesen. Trotzdem fährt die PR-Maschine noch einmal zu voller Leistung hoch. Dazu gehört auch das press junket. Das Wort Junket bedeutet im Englischen „Festivität“. Aber es kann auch soviel heißen wie: „Dienstreise, die vornehmlich dem Vergnügen dient.“ Junkets entstehen aus der Notwendigkeit, dass jedes Medium glaubt, die Stars eines Films selbst interviewen zu müssen. Daraus resultieren organisatorische Zwänge, die mit denen großer Truppenbewegungen vergleichbar sind. Hunderte von Menschen stehen mitten in der Nacht auf, steigen in Flugzeuge, und hasten durch fremde Großstädte. Auch eine Schlacht.

Peter Jackson hat allein in Berlin etwa 150 Interviews gegeben. Welches ist Ihre Lieblingsfrage, Mr. Jackson? „Die ulkigste Frage bisher war: Haben Sie Viggo Mortensen als Aragorn genommen, weil er Jesus Christus ähnelt? Aber natürlich wollen alle wissen, wie ich mich fühle, nun, wo wir es zu Ende gebracht haben. Und ob ich als Nächstes noch den ,Kleinen Hobbit’ drehe.“ Mattes Grinsen hinter dem Rauschebart.

Peter Jackson wirkt ein wenig abgespannt, aber entschlossen. Die Entschlossenheit zieht sich durch sein Schaffen. Mit neun Jahren entschied er sich für den Beruf des Filmregisseurs. Zuvor hatte er sich die Super-8-Kamera seiner Eltern angeeignet. Und dann sah er „King Kong“, das Original von 1933. „Ich liebte die Gefühle, die das in mir auslöste. Ich weinte, als Kong vom Empire State Building fiel. Das hat mich tief berührt. Das hat mich dazu gebracht, solche Geschichten erzählen zu wollen. Geschichten von Flüchtenden, Geschichten, die von Erfahrungen erzählen, die man im normalen Leben nicht machen kann. Das ist die Magie des Kinos.“ Diese Initiation hat Jackson mit Ray Harryhausen gemeinsam, einem seiner frühen Vorbilder und im Analog-Zeitalter ein Gott der Special Effects.

Es ist noch nicht lange her, da hielt man Peter Jackson für einen talentierten, vielleicht etwas durchgeknallten Horror-Freak. Die Tatsache, dass er jetzt barfuß beim Kaffee sitzt und draußen alle verrückt spielen, spricht dafür, dass er einiges richtig gemacht hat. Vor elf Jahren gab Jackson seinen Job in einem Fotoladen auf, nach dem Erfolg seines Splatterfilms „Braindead“. Jetzt hat er in einem siebenjährigen Kraftakt einen über neunstündigen Film in die Welt gewuchtet, der vielleicht 2,5 Milliarden Dollar einspielen wird. Er hat seiner Heimat ein Job-Wunder beschert und Touristenströme dorthin gelenkt. Die Fluggesellschaft seines Landes bemalt ihre Maschinen mit seinen Figuren. Wann hat es vorher einen Film gegeben, zu dessen Premiere über 100000 Menschen auf der Straße feiern wie kürzlich in Wellington, Neuseeland?

Woher rührt der Erfolg der „Ringe“? Wie kommt es, dass deren Wertschöpfungskette schier unendlich lang ist, vom Computerspiel über die Extended-Version-DVD (mit einer Länge von vier Stunden und 15 Minuten) bis zum Überraschungs-Ei? Der Film bindet sie alle. Eine Rolle spielt gewiss die aktuelle – im Winter besonders ausgeprägte – Beliebtheit von Parallelwelten. Ob „Herr der Ringe“, „Harry Potter“ oder die Manga-Mode: Heutzutage taucht man gerne ab in die unendlichen Weiten fantastischer Universen.

Aber schon die Trekkies, die Fans der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ haben Jahrzehnte lang vorgemacht, was es heißt, als Fan eine Art Gläubiger zu werden. Und auch für die ersten Karten jeder neuen „Star Wars“-Folge campierten Menschen wochenlang. Wer heute ein Fantasy-Abenteuer verfilmt, zählt gern auf eine solche Anhängerschaft – und die Massenszenen werden von der Unterhaltungsindustrie gleich mit inszeniert. Nur mit solch medialem Begleitorchester wird aus einem Film ein „Phänomen“.

Tolkiens Buch ist die Mutter all dieser Geschichten. Während in der Romanvorlage jedoch die Heimat der Hobbits abgebrannt ist, gönnt Peter Jackson seinen Helden eine versöhnliche Rückkehr. Das Weltenretten muss sich lohnen. Das tut es sicher auch für ihn. Nach dem Premierenrausch folgt, wie er es nennt „The Return Of The Lord Of The Rings Crew“: Die Arbeit geht weiter. Allerdings nicht mit Hobbits, sondern mit „King Kong“, den Jackson ebenfalls in „Wellywood“ dreht. Jacksons Gage – angeblich 20 Millionen Dollar plus 20 Prozent des Gewinns - machte bereits die Runde. Doch kein Typ, der einfach die – übrigens unbehaarten - Füße hochlegt.

„Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs“ kommt am 17. Dezember in die Kinos.

Ralph Geisenhanslüke

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