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Gebieter über 12 000 Kompositionen. Hermeto Pascoal.

© Gabriel Quintão

Hermeto Pascoal im HKW: Der Hexer kehrt zurück

Sturm und Drang: Brasiliens Musikerlegende Hermeto Pascoal mit Band im Haus der Kulturen der Welt.

Von Gregor Dotzauer

Was für ein Pfeifen und Trommeln nähert sich hier von ferne und nimmt die Gestalt einer Marschkapelle an, die sich ihren Weg durch die Menge bahnt und die Bühne erklimmt.

Und welch ein fröhlich elektrifiziertes, in allen brasilianischen Kreuz- und Polyrhythmen schillerndes Tosen herrscht anderthalb Stunden im Foyer des Hauses der Kulturen der Welt, bevor sich der Sturm legt und die Prozession in die Gegenrichtung zieht.

Hermeto Pascoals Band gibt sich ein Stelldichein, und der Chefzauberer selbst, „O Brujo“, wie man den schon wegen seiner Haar-, Bart- und Körperfülle auffälligen Albino in seiner brasilianischen Heimat nennt, ist auch mit 83 Jahren noch der Zeremonienmeister.

Mit Hut und Händen dirigiert er seine Truppe, lässt die Klangmassen an- und abschwellen, klatscht die Solisten ab, feuert Scat-Vokalisen ins Publikum, die ein hundertfaches Echo finden, und singt und röhrt in seine Bassflöte, dass es eine Freude ist.

Stilistisch ist das ein virtuoser, nie zur Ruhe kommender Fusion Jazz mit lärmenden Ausbrüchen. Klangforscherische Subtilitäten waren einmal, lasst die Hüften kreisen! Unter Hermetos Fingern quietscht vergnügt und ein wenig cheesy der Synthesizer, und golden funkeln die E-Piano-Sounds, als hätten die achtziger Jahre kein Ende gefunden. Oder handelt es sich um Vintage-Schick für die Gegenwart?

Immer am Anschlag

Unter den fünf Mitmusikern mit Sohn Fabio als Perkussionist ragt sein langjähriger Begleiter Jota P. heraus.

Mit scharfem Strahl stanzt er, immer am Anschlag, auf Sopran- und Tenorsaxofon, Flöte und Piccoloflöte Jazzlicks und Überblasgeräusche aus der gärenden Masse.

Zwischendurch mischen sich Gäste an Flöte, Baritonsaxofon und Akkordeon ein – bestens vertraut mit Hermetos Kompositionen, die sich auf mittlerweile 12 000 Stück belaufen und täglich weiter sprudeln.

Wie eine Trophäe hält er das erst zum Berliner Mittagessen auf eine Serviette gekritzelte jüngste Stück in die Handykameras: Am nächsten Tag soll es jeder auf Instagram sehen können – und sich rechtefrei aneignen dürfen. Ein Trauerspiel nur, wie kalt und matschig sich der Sound in die zentrale Klangschneise zwischen den Säulen des Foyers ergießt.

Raumakustik und Aussteuerung kommen einander in die Quere. Das Publikum, Hermeto von Beginn an ergeben, lässt sich in seiner Tanzlust und Begeisterung davon nicht irritieren.

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