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Auf der Kippe, auf der Wippe. „Amphitryon“ als Nahkampf.

© dpa/Fabian Sommer

Herbert Fritsch inszeniert „Amphitryon“: Verwirrung der Gewühle an der Schaubühne

Wer bin ich? Bin ich wer? Und wer bist du? Herbert Fritsch zeigt an der Schaubühne Molières „Amphitryon“. Möglicherweise ist es seine letzte Produktion am Haus.

Hallo und auf Wiedersehen, erst einmal. Neu zum Ensemble der Schaubühne gehört Joachim Meyerhoff, vom Burgtheater Wien nach Berlin gekommen. Er spielt hier mit Sosias seine erste Rolle, und wie die Sache angelegt ist, fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass er nur ein Diener ist. Denn in Herbert Fritschs Parcour der unsichtbaren Hindernisse gibt es keine Hierarchie. Dem Feldherrn Amphitryon ergeht es wie seinem Laufburschen, und Gott Jupiter wird nicht anders behandelt als irgendein Mensch. Das ist das Gesetz der Komödie.

Für Herbert Fritsch ist Molières „Amphitryon“ die einzige Schaubühnen-Produktion dieser Spielzeit, möglicherweise die letzte am Haus. Der Jubel bei der Premiere war auch deswegen groß, weil kaum ein Theatermacher sonst sich konsequent an Komödien wagt, an literarische Querschläger wie Dieter Roth („Murmel Murmel“) oder Konrad Bayer („der die Mann“), die bei aller Düsternis das Publikum aufs Schönste unterhalten. Irres Entertainment, das wird von Fritsch erwartet. Und das kann eine Bürde sein.

Die Story aus der Mythologie klingt schon irre genug: Jupiter ist scharf auf eine erdenfern, Alkmene, und schleicht sich in Gestalt ihres Ehemannes Amphitryon bei ihr ein. Sie merkt es nicht – und doch scheint ihr vertrauter Partner in dieser Nacht besonders gut drauf zu sein. Als Amphitryon dann zu Hause auftaucht, kommt die Verwechslungsmaschinerie in Gang, gedoppelt durch eine Parallelgeschichte mit Merkur und Sosias, den dienstbaren Geistern.

Fritsch baut sich immer auch eine eigene Theaterwelt: Bunte Bahnen hängen seitlich herab, markieren Gassen und formen Portale, wie man im Theater sagt. Es zeigt sich eine ausgestülpte Bühnenmechanik, worin sich die von Victoria Behr über-barock ausstaffierten Spielfiguren überschlagen – angetrieben von den Musikern Ingo Günther (Piano) und Taiko Saito (Marimba).

Die Auf- und Abtritte kann keiner zählen. Brasilianischer Karneval, Hochleistungsakrobatik, Schnellsprechwettbewerb – es ist verdammt viel los in diesem punktuell grell beleuchteten, choreografierten Durcheinander.

Fragwürdige Ähnlichkeiten

Nach Motiven oder Psychologie fragt hier keiner. Das Rasen ist Normalität, Merkur (Bastian Reiber) kann gar nicht genug davon bekommen, feuert die Akteure noch an. Joachim Meyerhoff – als Sosias – sieht ihm natürlich kein bisschen ähnlich, er wirkt leicht nachdenklich, scheint sich Sorgen zu machen bei dem Tempo, das alle an den Tag legen.

Jupiter (Axel Wandtke) begibt sich unter die Menschen.
Jupiter (Axel Wandtke) begibt sich unter die Menschen.

© dpa/Fabian Sommer

Annika Meier als Alkmene hat die Sache im Griff, sie wählt ihr jeweiliges Temperament wie ein Kleidungsstück aus. Jupiter (Axel Wandtke) und Amphitryon (Florian Anderer) sehen einander tatsächlich einigermaßen ähnlich, aber wer will das schon wissen in dieser Hektik und Hitze des vordergründigen Wortgefechts.

[Nächste Aufführungen am 15., 17., 18. 20. und 31.10.]

Der Spaß soll anstrengend

Alle sind wie angestochen, aufgezogen, zum Lustigsein verurteilt. Sie schlackern mit den Beinen wie Marionetten, starren nach vorn: Aus diesem Käfig voller Hof- und Horrornarren gibt es keinen Ausweg; allein der rotzigen Cleanthis (Carol Schuler) wäre Widerstand zuzutrauen. Diese Figur hat Molìere bei der Uraufführung 1668 dazugestellt, sie kommt in den antiken Vorlagen nicht vor.

Der Spaß strengt etwas an – und weil Theater ja aktuell sein soll: Hier erlebt man eine Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr kennt, die panische Angst hat, etwas falsch zu machen, man schaut auf einen Haufen Wahnsinniger, denen alles gleich zu sein scheint: dauererregte, hysterische Solisten, die keine Pause kennen. Das ist am Ende nicht so komisch und nah dran am Leben.

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