zum Hauptinhalt
Die drei Grazien. Heinz Mack entwickelte die Darstellung von Aglaia, Thalia und Euphrosyne weiter.

© Roman März / VG Bildkunst, Bonn 2020

Heinz Mack in Berlin: Das Glück strahlt zurück

Der Zero-Künstler Heinz Mack hat in Berlin neue Bronzen geschaffen. Er stellt sie in der Gießerei Noack aus.

Sie ruhen in sich, scheinbar unerschütterlich, geerdet und schimmernd – die drei Grazien aus Bronze von Heinz Mack. „Aglaia“, die Strahlende streckt großzügig ihre Arme aus, bereit die Welt zu umfangen. „Thalia“, die Blühende ist gerade dabei sich zu entfalten.

Und „Euphrosyne“, der Frohsinn balanciert würdevoll seine angekratzte Krone. Da stehen sie in der großen Halle der Werkstattgalerie Hermann Noack etwas abseits und bilden mit ihrer berührenden Freundlichkeit ein eigenes Universum in der kalten Welt. Eine kleine Familie, verbunden durch Reflektionen des Lichts. Das Glück zwischenmenschlicher Beziehungen feiern die drei Figuren als den warmen Widerschein im jeweils anderen.

Das Thema der drei Grazien hat Heinz Mack schon einmal 1965 bearbeitet. Damals in kühlem Edelstahl. Heute stehen die drei Stelen nebeneinander im Lynden Sculpture Park, Milwaukee und spiegeln die Besucher. Nach dem futuristischen Silberglanz von Aluminium und Edelstahl geht es in der Ausstellung der Berliner Bildgießerei Hermann Noack um die Bronze mit ihrem goldenen Schimmer. Um eins der ältesten Materialien der Kunst, für Heinz Mack ein Ausflug in die Klassik.

Neben den drei Grazien stammen noch zwei weitere Skulpturen aus diesem Jahr. „Kalligypos“, eine Aphrodite mit üppig gerundeten Formen sowie die „Stele von Delphi“, eine geheimnisvolle Wächterin mit Narben und Kerben auf ihrer Oberfläche. Begleitet wird diese jüngste Produktion von acht Bronzearbeiten aus den achtziger und neunziger Jahren.

Die luftige Ausstellung zeigt die Präzision, mit der Gießerei und Künstler Hand in Hand arbeiten. „Ich gehöre zur Arbeiterklasse, weil ich als Künstler selbst Hand anlege“, sagt Heinz Mack am Telefon. Auch über die Entfernung vermittelt sich der Elan des 89-Jährigen.

Makellose Eleganz

Zur Eröffnung seiner Ausstellung konnte er wegen der Reisebeschränkungen nicht kommen. Im Sommer aber war er regelmäßig in der Werkstatt, um die Skulpturen fertig zu stellen. Zum Beispiel, um die Farben für die Patina festzulegen. Dunkel, rau und manchmal wie mit dem Kamm gefurcht bricht sich das Licht am Sockel, nach oben hin wird es von den glänzenden Vorderansichten reflektiert.

„Am schwierigsten war der Übergang“, seufzt Hermann Noack, der die Gießerei in vierter Generation leitet. Den Zwischenbereich zwischen Patina und Politur, zwischen Hell und Dunkel, Erde und Himmel wünschte sich der Künstler fließend. Jetzt wirkt der Stimmungswechsel auf der Haut der Figuren wie Malerei. „Das Leben der Skulptur zeigt sich an der Oberfläche“, sagt Heinz Mack.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Dieses Leben der Skulptur kann man hier nah und groß erkennen. Die Unebenheiten bei der „Stele von Delphi“, die makellose Eleganz der verflochtenen Federn in der „Kleinen Kontemplation“, einer Verbeugung vor Constantin Brancusi. Besonders ungewöhnlich die lichtschluckende Oberfläche eines schroffen Mädchen-Torsos nach einem Gipsmodell von 1955.

Mit Gold zu arbeiten ist herausfordernd

Und dann das frische Grün der Figur „Rhythmus und Wachstum“ von 1998. Filigrane Muster zieren den Stamm, an den Kanten glänzt die Bronze golden. „Die Arbeit mit Gold ist herausfordernd. Wer dem Anspruch nicht genügt, läuft Gefahr, ins Kunsthandwerkliche abzugleiten“, glaubt Heinz Mack.

In der Ausstellung ist auch das Modell für den Obelisken am oberen Kurfürstendamm zu sehen, der wie ein Lichtstrahl in den Himmel zeigt. Sein Pendant vor dem Europa-Center ist nicht aus Bronze, sondern aus getöntem Glas. Etwas in Vergessenheit geriet Heinz Macks Gestaltung der Piazzetta am Kulturforum.

[Werkstattgalerie Noack, Am Spreebord 9a, Mo bis Fr 10 – 16 Uhr, Sa 14 – 18 Uhr]

Das Zackenmuster in den Gehwegplatten kann man nur im Luftbild erkennen. Macks ursprünglicher Plan, die Besucher durch einen Portikus aus schwarz gezacktem Granit zu lenken, ist nie realisiert worden. Dieser Eingang existiert nur als Modell. „Der Vertrag“, sagt der Künstler, „ist nie gekündigt worden. Er besteht noch immer.“ Schade, dass Macks dynamischer Sternenlauf auf dem Boden nun untergeht in der kraftlosen Umgebung des städtischen Raums.

Gold stellt existentielle Fragen

Eigentlich träumte Heinz Mack immer vom Raum ohne Grenzen. Jahrgang 1931 studierte er Kunst und Philosophie, gründete als 26jähriger gemeinsam mit Otto Piene die Gruppe Zero, zu der später Günther Uecker stieß. Auch die Leere der Null ist ohne Grenzen.

Vor fünf Jahren konnte man im Martin-Gropius-Bau noch einmal die Magie des ersten Zero-Raums erleben, mit dem Mack, Piene und Uecker 1964 ihr internationales Entrée bei der documenta III feierten. Rund fünfzig Jahre später faszinierten die leuchtenden Apparaturen, die sich eigensinnig optimistisch aus dem Dunkel des Zweiten Weltkriegs schraubten, noch immer.

Macks kühnstes Abenteuer aber war sein Sahara-Projekt, bei dem 1968 der Film „Tele-Mack“ entstand. Halb Alien, halb Astronaut stapft da der Künstler im silberglitzernden Weltraumanzug über die Dünen der tunesischen Wüste auf der Suche nach einem unendlichen Raum für die Kunst. In dem gleißenden Licht errichtet er Sonnenfänger, flatternde Aluminiumfächer und filigrane Stelen, die Sand und Himmel spiegeln. „Zero. Gold und Silber, Schall und Rauch“ hieß es schon im Manifest von 1963.

„In den Farbentheorien kommen Gold und Silber merkwürdigerweise nicht vor“, sagt Heinz Mack. „Gold hat als Material die Aufgabe, existenzielle Fragen zu stellen.“ Die Bronze schimmert golden wie die Sonne im Mittelmeerraum, wo in der Antike die Ahnen von Heinz Macks Figuren entstanden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false