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Der Ausbruch der Cholera in Paris 1832. 

© imago images/Leemage

Heinrich Heines „Ich rede von der Cholera“: Verschwörungstheorien gab es auch schon 1832

Möbelwagen als „Totenomnibusse“ und unästhetische Gesichtsmasken: Heinrich Heines Bericht über die Cholera in Paris 1832 hat verblüffende Ähnlichkeit zum Jahr 2020.

So wie Heinrich Heine den Ausbruch der Cholera in Paris geschildert hat, erinnert das an die Karnevalssitzung im nordrhein-westfälischen Heinsberg, die einer der Hotspots der hiesigen Covid-19-Verbreitung war. 

Fröhlich „tummelten“ sich die Pariser Ende März des Jahres 1832 auf den Boulevards, „wo man sogar Masken erblickte, die, in karikierter Missfarbigkeit und Ungestalt, die Furcht vor der Krankheit verspotteten“. Und kam nicht aus London die Nachricht, dass die Pestilenz „verhältnismäßig nur wenige hingerafft“ hatte?

Doch dem sollte dann in Paris nicht so sein, wie auch anderswo in Europa. Bald beginnt eine „Schreckenszeit“, steigen die Zahlen der Toten, reichen die Leichenwagen nicht aus, werden große Möbelwagen „gleichsam als Totenomnibusse“ eingesetzt. 

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Heine schrieb das seinerzeit in einer Artikelserie für die in Augsburg erscheinende „Allgemeine Zeitung“, Artikel, die kurz darauf auch als Buch unter dem Titel „Französische Zustände“ veröffentlicht wurden.

Der Hoffmann und Campe Verlag (Heines Verleger war damals schon Julius Campe) hat Heines Bericht unter dem Titel „Ich rede von der Cholera“ passend zur aktuellen Pandemie als kleines, schmuckes Büchlein herausgegeben, mit einem Vorwort von Tim Jung und dem Faksimile des Heine-Artikels vom 29. April bis 2. Mai 1832. 

Frappant ist, dass alles, was Heine beobachtet, einem jetzt unter Coronapandemie-Bedingungen doch bekannt vorkommt.

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Nicht nur die anfängliche Sorglosigkeit oder die Probleme mit den Leichen, die nicht mehr pietätvoll transportiert und begraben werden können, sondern auch um sich greifende Verschwörungstheorien („Je wunderlicher die Erzählungen wurden, desto begieriger wurden sie vom Volke aufgegriffen ...), das Verhalten der Reichen (retteten sich „nach gesünderen Gegenden“) oder die leeren Straßen. 

Am Ende muss Heine weinen, über die „unglückliche Stadt“, die „Stadt der Freiheit“. Eine Epidemie und die Freiheit, das verträgt sich nicht, und die Erlösung ließ noch einige Zeit auf sich warten. 
[Heinrich Heine: Ich rede von der Cholera. Ein Bericht aus Paris von 1832. Hoffmann und Campe, Hamburg 2020. 60 Seiten, 14 €.]

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