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In "Maintaining Stranger" treffen die Charaktere ohne Skript aufeinander und diskutieren über Fremdheit und Intimität.

© Jorge Leo

Hebbel am Ufer: Arg routiniert

Wie können neue Beziehungsformen aussehen? In Simone Aughterlonys Performance „Maintaining Stranger“ wird es diskutiert.

Von Sandra Luzina

Das Thema Gemeinschaft steht derzeit bei jüngeren Choreografen hoch im Kurs. Simone Aughterlony aber hält nichts von kollektivem Verschmelzen. In ihrer neuen Performance „Maintaining Stranger“, einer HAU-Koproduktion, betont sie das Trennende. Gesteins-Skulpturen unterschiedlicher Größe liegen zerstreut auf der Bühne herum, aus manchen der Brocken ragt eine Glasscheibe. Diese künstliche Wüste wird hier zur Cruising Zone für flüchtige Begegnungen. Die neuseeländische Künstlerin, die in Berlin und Zürich arbeitet und eine Ikone der queer-feministischen Szene ist, imaginiert eine Zone außerhalb der bürgerlichen Normen. Doch befreiend ist das nicht. Die fünf Performer stellen nicht nur ihre Coolness aus, sie wirken teilweise auch ziemlich schäbig.

Sexuelle Anspielungen und nackte Hintern

Aughterlony holt anfangs einen Fisch aus dem Ärmel ihrer Jeansjacke. Das tote Tier schleppt sie die ganze Zeit über mit sich herum, sie tanzt mit dem Kadaver oder lässt sich von Teresa Vittucci den Po damit versohlen. Nackte Hintern gibt es öfter zu sehen in „Maintaining Stranger“ und auch eine kurze Porno-Szene von Aughterlony und Nic Lloyd. Der britische Punk-Performer versucht anfangs eher unbeholfen, Kontakt herzustellen. Aus der Kollision mit der ruppigen Vitucci, die hier das bad girl und die Domina gibt, geht er etwas lädiert hervor. „Hast Du auch weiche Teile oder bist du nur hart?“ sinniert er. Nur weiß man nicht, ob er die Frauen oder die Felsen meint.

Petra Hrašcanec, die mit Stiefeln und Sport-Shorts lässig über die Bühne schreitet, stellt sich in ihrem Monolog vor, wie getrennte Körperteile in einen Dialog treten. Das hat Simone Aughterlony leider nicht choreografisch umgesetzt. Stattdessen sieht man Aktionen, die disparat, manchmal auch desolat wirken. Anspielungen auf Lesben-Sex gibt es auch, so saugt Aughterlony einmal hingebungsvoll an Vituccis Brust.

Einer der Songs verströmt sogar etwas Romantik

Der Komponist Hahn Rowe, der wieder live auf der Bühne seine Klänge fabriziert, sorgt für unterschiedliche Stimmungen. Auch wenn das Stück eher ratlos macht, entfaltet es manchmal doch einen starken atmosphärischen Sog. Einmal stimmen die fünf Performer so sehnsüchtig einen Song an, das es fast romantisch wirkt. Für einen Moment wirken sie sehr verloren. Eine wenn auch nur temporäre Gemeinschaft bilden diese fünf nicht. Doch das Fremd-Sein und Fremd-Bleiben vermag hier kaum zu faszinieren. Und der queere Blick auf Körperbilder und Geschlechterrollen wirkt in „Maintaining Stranger“ doch eher routiniert und wenig provokant.

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