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Coole Kerle aus Istanbul. Die 1987 gegründete Band Pentagram, die auch unter dem Namen Mezarkabul bekannt ist.

© Promo

Heavy Metal aus Istanbul: Legendäre türkische Band tritt in Kreuzberg auf

Anti-Kriegs-Songs und Sufismus: Die Metalband Pentagram hat in der Türkei Legendenstatus. Jetzt kommt sie zum Konzert ins Berliner SO36.

Kaputte Stühle, zerschlagene Tische – nach zwei Konzerten muss die Band draufzahlen. So begann Ende der achtziger Jahre die Karriere von Pentagram. Sie spielten in überfüllten Istanbuler Hochzeits- und Kinosälen und die Menge tobte vor Begeisterung. Diese Säle boten für die junge aufstrebende Gruppe die einzigen Auftrittsmöglichkeiten. Sie waren allerdings nicht geschaffen für das junge Publikum des Speed- und Thrash-Metal.

Eines dieser Pentagram-Konzerte, es fand am 4. November 1988 in einem Kinosaal im Istanbuler Stadtteil Moda statt, ging in die türkische Metal-Geschichte ein als das „legendäre Moda-Konzert“. Es gilt als Urknall der Szene und Pentagram als ihr Wegbereiter.

Die Gruppe, die außerhalb der Türkei auch unter dem Namen Mezarkabul auftritt, weil es noch eine US-amerikanische Band namens Pentagram gibt, hat sich in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens immer wieder neu erfunden. Sie reagierte auf die Zeit und das Publikum. Das zweite auf Englisch gesungene und auch in Europa vertriebene Album „Trail Blazer“ (1992) entstand beispielsweise nach dem Zweiten Golfkrieg und enthält Anti-Kriegs-Songs.

Bandgründer Hakan Utangaç sagt: „Besonders die Militärjunta von 1980 hat eine Atmosphäre geschaffen, die unser Leben völlig veränderte und vielleicht dafür sorgte, dass wir uns für Rock und Metal interessierten. Wir waren damals zwar jung, verstanden aber, dass wir nicht mit Waffen leben wollten.“ Im E-Mail-Interview erklärt der Sänger und Gitarrist weiter, dass der Mensch im Mittelpunkt ihrer Songs stehe. Doch als die Band den Sufismus entdeckte, sei sie „noch einen Schritt weiter gegangen und hinterfragte nun den Menschen selbst und das Zusammenleben.“

Vorbilder hat die Band, die am Mittwoch im Kreuzberger SO36 auftritt (25. Dezember, 20 Uhr), in der ganzen Welt. Aus Deutschland sind das unter anderem die Scorpions, Kraftwerk, Die Toten Hosen und Metalbands wie Accept, Helloween oder Grinder.

Die meisten Songs sind auf englisch

In der zweiten Hälfte der Neunziger waren Pentagram Teil des von Pierre Hecker in seinem Buch „Turkish Metal“ als „ethnic turn“ (ethnische Wende) bezeichneten Trends, zu dem auch Sepultura aus Brasilien, Orphaned Land aus Israel oder die schwedische Black-Metal-Band Bathory gehörten. Sie alle haben lokale Einflüsse in ihre Musik übernommen. So produzierte Pentagram 1997 etwa das Album „Anatolia“. Neben dem gleichnamigen Titelsong auf Englisch und Türkisch beinhaltet das Werk zwei weitere türkische Stücke. Die Band singt bis auf einige wenige Songs meist englisch. Das macht sie auch für ein nichttürkisches Publikum interessant. Eine Ausnahme ist das 2002 produzierte Album „Bir“ (Eins), das nur türkische Stücke enthält.

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Eines der von Pentagram rockig interpretierten Stücke ist das schon vielfach von anderen Künstlern gecoverte traditionelle Lied „Uzun Ince Bir Yoldayım “ (Ich bin auf einem langen dünnen Weg) von Âşık Veysel, einem der bekanntesten alevitischen Dichter und Sänger der Türkei. Die Band nennt es auf ihrem Album – auf ein kurzes Textstück im Refrain zurückgreifend – schlicht „Gündüz Gece“ (Tag und Nacht).

Pentagram waren mit Satanismusvorwürfen konfrontiert

Die türkische Metalszene hatte es nicht immer leicht. Vor allem in den achtziger Jahren kam man kaum an Musik aus dem Ausland heran. Die Szene versuchte, über Netzwerke global anschlussfähig zu bleiben. Auf Hindernisse stießen Pentagram auch im Land selbst: Nach einigen Selbstmordfällen unter Jugendlichen und dem Mord an einer jungen Frau im Istanbuler Stadtteil Ortaköy sahen sie sich 1999 mit Satanismusvorwürfen konfrontiert. Die Band reagierte, indem sie das Lied „Şeytan  Bunun Neresinde“ (Wo steckt der Teufel hier?) des alevitischen Barden Âşık Dertli aus dem 18. Jahrhundert auf kraftvoll-trotzige Weise neu interpretierten. Um die letzte Jahrtausendwende schien es in der Türkei aktueller denn je zu sein.

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Ihren Erfolg verdankt die Band zum Teil auch ihrer inneren Dynamik. Denn viele Bandmitglieder kamen und gingen. Jeder neue Musiker brachte etwas Eigenes ein – so etwa Demir Demirkan, Produzent des Eurovision-Songs „Every Way That I Can“. Die Popsängerin Sertap Erener gewann damit 2003 den Wettbewerb für die Türkei. Demirkan feierte seine ersten Erfolge mit Pentagram, trennte sich dann von der Gruppe, um später zurückzukehren.

Trennungen waren nie endgültig

Hakan Utangaç (Gitarre und Gesang), Cenk Ünnü am Schlagzeug und der Bassist Tarkan Gözübüyük bilden von der Bandgründung 1987 bis heute den Gruppenkern. Leadgitarrist Metin Türkcan ist seit 2000 festes Gruppenmitglied und Murat Ilkan löste Mitte der Neunziger Ogün Sanlisoy ab. Sanlisoy, der Vokalist des zweiten Albums „Trail Blazer“, wollte damals das dritte Album nur auf Türkisch produziert haben. Er trennte sich von der Gruppe, weil das mit dem Rest nicht möglich war. Sanlisoy arbeitete danach solo weiter. Die Trennungen waren allerdings nie für immer. Zum 30-jährigen Jubiläum der Band etwa produzierten alle zusammen das siebte Studioalbum „Akustik“, bestehend aus elf neu arrangierten alten Songs.

Gerade arbeitet die Band an einem neuen Album

Pentagram findet heute viel Beachtung in den türkischen Medien und tritt häufig auf. Dies verwundert etwas, bedenkt man die schwierige politische Situation im Land. „Wir sind es gewohnt, mit Repressionen zu leben“, sagt Hakan Utangaç und fügt an, dass die Band sich deshalb vielleicht selbst zensiere. Doch sie bleibt optimistisch: „Wir gehören zu denen, die gegen alles Schlechte auf der Welt mit Gutem antworten. Musik ist in dieser Hinsicht ein Zaubermittel.“

Derzeit arbeitet die Gruppe an einem neuen Album. Alle bisherigen Sänger würden für neue Stücke zusammenkommen, hat Ogün Sanlisoy verraten. Vielleicht geben Pentagram beim Konzert im SO36 schon mal eine kleine Kostprobe. Die Fans wird es freuen – und sicher schlägt diesmal auch niemand etwas kaputt.

Hülya Gürler

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