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Sissi Rada, 36, studierte in Amsterdam und Berlin.

©  M.Koropoulis & C.Caravatellis

Harfinistin Sissi Rada und ihr neues Album: Wellenreiten auf verzerrten Saiten

Sissi Rada verbindet Harfen-Klänge, Gesang und Elektronik zu experimentellem Pop. Jetzt ist ihr Album „Nanodiamond“ erschienen. Ein Porträt.

Die Harfe hat sich neben der klassischen Musik schon so manches musikalische Terrain erschlossen. Dank Größen wie Dorothy Ashby und Alice Coltrane den Jazz. Joanna Newsom und Mikala Davis haben gezeigt, wie das Instrument auch im modernen Singer-Songwriter-Pop funktionieren kann.

Nicht zu vergessen Andreas Vollenweider mit seinem gezupften Wohlklang aus der Abteilung der New-Age-Musik. Und langsam findet das Saiteninstrument auch den Weg in die elektronische Musik. Etwa bei der amerikanischen Harfinistin Mary Lattimore. Und bei Sissi Rada, die in Athen geboren wurde und lange in Berlin lebte.

Zu Beginn der Pandemie zog Rada nach Griechenland

Während sich bei Lattimores Musik alles um ihre Harfentöne dreht, die von der Elektronik nur dezent umspült werden, geht Rada einen anderen Weg. Ihr eben erschienenes zweites Album mit dem Titel „Nanodiamond“ (Kryptox) ist zuallererst eine Elektronikplatte. Vordergründig klackern hier vor allem die Beats und dröhnen die Synthesizer.

Die Harfe spielt eher eine Nebenrolle. Denkt man zumindest. Sissi Rada, die eigentlich Sissi Makropoulou heißt, klärt auf: „Viele meiner Sounds klingen elektronisch, stammen aber von der Harfe. Das Instrument hat einfach so viele verschiedene Facetten.“

Man spricht mit ihr am Telefon. Anders geht es gerade nicht. Als es mit den Lockdowns losging im vergangenen Jahr, ist sie von Berlin zurück in die Nähe von Athen geflohen und blieb. „Wegen Corona wurden alle meine Konzerte abgesagt, ich fühlte mich plötzlich so nutzlos“, erzählt sie. Sie sei dann, auch um auf andere Gedanken zu kommen, ans Meer gezogen, in die Küstenregion, wo sie aufgewachsen ist. Dort habe sie das Windsurfen wiederentdeckt.

„Das war wie eine Psychotherapie für mich.“ Wellenreiten gegen den Pandemie-Frust sozusagen. Und jetzt möchte sie gar nicht wieder weg, vorerst auch nicht zurück nach Berlin. „Ich weiß gerade einfach nicht, wo ich in der Zukunft landen werde“, sagt sie. Wenn man gerade aus dem Fenster direkt ins Graue blickt und an die neuesten Verkündigungen des RKI denkt, kann man sie verstehen.

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Die 36-Jährige hat mit elf Jahren begonnen, Harfe zu spielen. Sie studierte das Instrument in Amsterdam und später an der Universität der Künste in Berlin. Inzwischen hat sie sich als klassische Harfinistin etabliert. Sie ist schon mit den Berliner Philharmonikern aufgetreten und am 1. Dezember gastiert sie als Teil von Teodor Currentzis' Ensemble musicAeterna in der Philharmonie.

Aber Sissi Rada interessiert sich eben nicht nur für Klassik. Sie habe früher viel Rock gehört, erzählt sie, Led Zeppelin und sogar Gothicrock. Ihr Tante habe sie dann in die Welt des Avantgarde-Pops der Marke Kate Bush und Björk eingeführt. Und in Athen sei sie eingetaucht in die lokale Soul- und Housemusikszene.

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Auf die Idee, sich selbst mal an etwas anderem als der Klassik zu versuchen, sei sie aber rein zufällig gekommen. Vor ungefähr 15 Jahren war das. Sie verletzte sich einen ihrer Finger und bekam mitgeteilt: in den nächsten Wochen bitte keine Harfe spielen. „Das war ziemlich schlimm für mich. Ich war mitten im Studium und eigentlich muss man mindestens vier Stunden täglich an dem Instrument üben“, erzählt sie.

Ihr war langweilig, sie wollte aber irgendetwas tun. Also spielte sie auf ihrem Computer mit der einfach zu bedienenden Musiksoftware „Garage Band“ herum. Und hatte Spaß daran. Vor allem so- genannte Mash Ups habe sie damals zusammengebastelt, Collagen aus bereits existierenden Musikstücken.

An der Universität belegte sie daraufhin einen Kurs zum Erlernen von „Logic“, einem schon etwas anspruchsvolleren Musikprogramm. Inzwischen arbeitet sie mit „Ableton Live“, dem Standard bei Elektronikproduktionen.

Nun ist sie also nicht mehr nur Sissi Rada, die Harfenspielerin, sondern Sissi Rada, die Elektronikerin. Und nicht zu vergessen: Sissi Rada, die Sängerin. Auf den meisten Stücken ihres Albums setzt sie ihre Stimme mindestens so vielfältig ein, wie sie ihr Spiel auf der Harfe gestaltet. Sie singt mal griechisch, mal englisch. Auf dem Stück „Maps“ ist ihre Stimme als verwehter Geistergesang zu vernehmen. Auf „Pyrametron“ intoniert sie fast schon wie eine Jazzsängerin. Und in „Ichthys“ klingt sie wie eine Spoken-Word- Poetin.

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Aus der Verbindung von Harfe, Gesang und Elektronik entsteht bei Sissi Rada durchaus Popmusik, wenngleich auch ziemlich experimentelle. Radas Gesang wird immer wieder von Effekten zerstäubt, hier und dort schieben sich Flöten- und Saxofontöne nach vorne, verbinden sich dann aber schnell mit der Elektronik, die das Soundbild im Großen und Ganzen dominiert.

Nur hier und dort zirpen die Harfentöne in ihrer ganzen Klarheit. Manchmal kommt einem der Gedanke, dass man zu einigen der Stücke vielleicht sogar tanzen könnte, verwirft ihn dann aber wieder.

Zwei ihrer neuen Lieder wurden von Andi Toma produziert, eine Hälfte des Berliner Elektronik-Duos Mouse on Mars. Sie lernte ihn bei einem Stipendiatenprogramm in Berlin kennen. Und war hier nochmals die Schülerin, ließ sich Tricks und Kniffe für das Produzieren von elektronischer Musik zeigen. Nun ist er ihr musikalischer Partner. Und dann taucht da noch ein echter Stargast auf der Platte auf: Brian Eno, der Großmeister der Ambientmusik und Produzentenguru. Auf ihn ist sie gestoßen, als sie als Musikjournalistin unterwegs war.

Denn nebenbei scheint sie auch noch Zeit zu finden, für Magazine zu schreiben. Teodor Currentzis vermittelte den Kontakt zu Eno, den sie in seinem Studio in London besuchen dufte. Nach dem Gespräch habe er sie gefragt: „Spielst Du eigentlich auch Keyboard?“ Sie habe geantwortet: „Na, ein bisschen.“ Darauf er: „Dann zeig doch mal.“ Woraufhin sie ein wenig improvisierte, bis sie merkte: Der alte Fuchs hat mitgeschnitten.

Als sie später an ihrer Platte arbeitete, erinnerte sie sich an diese Szene und fragte Eno, ob die Aufnahme noch existiere. Aber sicher doch, bekam sie zu hören und dazu das Versprechen: „Ich bastel noch ein bisschen herum.“ Herausgekommen ist dabei eine Nummer mit dem eigentümlichen Titel „81948 (2000 OM69)“, eine versponnene Ambient-Miniatur. Die Keyboardklänge darauf klingen sanft und feingliedrig. Fast so, als würde jemand auf einer Harfe spielen.

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